Heimliche Raucher: Die Auswirkungen der Feinstaubbelastung

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Die Luftverschmutzung ist eines der grossen umweltbedingten Gesundheitsrisiken, wobei besonders Feinstaub (PM2,5) zu Krankheiten und zu einer erhöhten Sterblichkeit führt. Die Europäische Kommission hat ihre Luftqualitätsnormen an die jüngsten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Luftqualität angepasst und sich im Rahmen ihres Aktionsplans zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung zum Ziel gesetzt, die Zahl der durch PM2,5 verursachten vorzeitigen Todesfälle bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 2005 zu senken.

Nationale und regionale Massnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung haben dazu geführt, dass die Jahresmittelwerte der Feinstaubkonzentration von 2009 bis 2018 im Durchschnitt um 22 % gesunken sind. Die Europäische Umweltagentur (EUA) geht davon aus, dass der angestrebte Rückgang der vorzeitigen Todesfälle um 55 % bis 2026 erreicht werden kann, wenn sich der beobachtete Trend fortsetzt. Da das Einatmen von Feinstaub die Lunge ähnlich belastet wie das Rauchen, hat Distrelec die Feinstaubwerte in den europäischen Hauptstädten ermittelt und in Zigarettenschachteln umgerechnet. Zudem werden die derzeitigen Sterblichkeitsraten mit den Kosten für die Einführung von IoT-Sensoren zur besseren Messung der Luftqualität verglichen.

Feinstaubbelastung in Europa − konzeptualisiert

Während der EU-Grenzwert für die jährliche PM2,5-Belastung bei 25 µg/m3 liegt, liegt der Grenzwert der WHO bei 5 µg/m3. Das hat zu Folge, dass der WHO-Grenzwert von allen europäischen Hauptstädten ausser Tallinn überschritten wird, wohingegen der EU-Wert nur von der bosnischen Hauptstadt Sarajevo und der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje überschritten wird. Laut EUA erhöht sich bei einem Anstieg der PM 2,5-Konzentration um 10 µg/m3 das Sterberisiko um 8 %. Da 22 µg/m3 in etwa dem Äquivalent einer Zigarette entsprechen, wollte Distrelec diese Zahlen auf leicht verständliche Weise aufzeigen und eine technische Lösung für die Überwachung der Luftverschmutzung vorschlagen.

Zwar schneiden die europäischen Länder nicht so schlecht ab wie einige nichteuropäische Länder in unserer Studie, doch, wenn man sich die Feinstaubbelastung als Anzahl der jährlich gerauchten Zigaretten vorstellt, erschrecken auch die Feinstaubwerte in Europa. Zum Vergleich: Am schlechtesten schnitt in unserer Studie N’Djamena, die Hauptstadt des Tschads ab, wo die Feinstaubbelastung dem Rauchen von 4,1 Zigaretten pro Tag oder 1488 Zigaretten (74 Zigarettenschachteln) pro Jahr entspricht. Was die luftverschmutzungsbedingte Sterblichkeitsrate innerhalb des Landes betrifft, hat die Hauptstadt mit 163,74 Todesfällen pro 1.000.000 Einwohner die zweitniedrigste Rate.

Danach kamen 21 weitere internationale Hauptstädte, darunter Neu-Delhi (Indien), Kathmandu (Nepal) und Lima (Peru), deren Jahresäquivalente in Zigarettenschachteln zwischen 21 und 74 liegen. Auch wenn die europäischen Ergebnisse nicht ganz so hoch ausfielen, so sind sie doch für diejenigen, die sich um ihre allgemeine Gesundheit und ihr Wohlbefinden sorgen, wahrscheinlich schockierend.

Sarajevo, die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, stand in unserer Studie an der Spitze der europäischen Länder, mit einer Feinstaubbelastung, die dem Rauchen von 26,87 Zigarettenschachteln pro Jahr oder 538 Zigaretten entspricht. Das Land hatte auch die vierthöchste Sterblichkeitsrate pro 1.000.000 Einwohner der 47 untersuchten Länder. Damit hat Bosnien und Herzegowina eine höhere Sterblichkeitsrate als der Tschad oder Indien und das obwohl die Feinstaubbelastung in dem europäischen Land niedriger ist.

Danach folgten die asiatischen Hauptstädte Eriwan (Armenien), Ulan Bator (Mongolei), Peking (China) und Bischkek (Kirgisistan), deren Feinstaubverschmutzung das Äquivalent von 24 bis 26 Schachteln Zigaretten pro Jahr ist.

Skopje belegte in unserer Studie mit 22 Zigarettenschachteln pro Jahr oder 1,20 Zigaretten pro Tag den zweiten Platz. Dazu passt, dass Nordmazedonien mit 1321 Todesfällen pro 1.000.000 Einwohner die höchste Sterblichkeitsrate in Verbindung mit Luftverschmutzung von allen untersuchten Ländern hatte. Untersuchungen haben gezeigt, dass die hohe Zahl der vorzeitigen Todesfälle in den Balkanländern im Zusammenhang mit der Luftverschmutzung auf die Verbrennung fester Brennstoffe für die Heizung von Haushalten und die Industrie zurückzuführen ist.

Die kroatische Hauptstadt Zagreb , lag mit 22,07 Zigarettenschachteln pro Jahr nur knapp hinter Skopje und Lima (Peru), belegte aber bei der Sterblichkeitsrate den zehnten Platz und verzeichnete mehr luftverschmutzungsbedingte Todesfälle als zum Beispiel Indien.

Zu den Hauptstädten mit der geringsten Feinstaubbelastung, die nicht in dieser Darstellung enthalten sind, gehören London mit einem Jahresäquivalent von 7,96 Zigarettenschachteln, Madrid mit 7,88, Dublin mit 5,88 und die Nordischen Länder. Kopenhagen  hatte ein Äquivalent von jährlich 7,21 Packungen oder 144 einzelne Zigaretten, Oslo  5,72 Packungen pro Jahr, Stockholm 5,64 und Helsinki 4,56.

Sterblichkeitsraten im Vergleich zu den Kosten für die Implementierung von IoT-Sensoren

Während die Systeme zur Überwachung der Luftverschmutzung immer besser werden und immer mehr Länder die für die Aufnahme von IoT-Sensoren erforderliche Infrastruktur entwickeln, hat Distrelec untersucht, wie hoch die geschätzten Kosten für stadtweite IoT-Sensoren wären, um eine hyperlokale Überwachung der Luftverschmutzung zu ermöglichen. Dadurch könnten die Stadtbewohner die Luftverschmutzungswerte ihrer Strasse oder ihres Viertels in Echtzeit überprüfen und fundiertere Entscheidungen über die Feinstaubbelastung treffen. So könnten die in diesem Bericht dargelegten luftverschmutzungsbedingten Sterblichkeitsraten gesenkt werden. Dies könnte sich auch auf die Wahl des Wohnortes auswirken sowie auf die Politik der Regierung in Bezug auf den Klimawandel und die Luftverschmutzung, um die Ressourcen am besten auf die Gebiete zu konzentrieren, die sie am meisten benötigen.

In der nachstehenden Grafik sind die Länder mit den höchsten Kosten für die Einführung von Sensoren sowie die mit der Luftverschmutzung verbundenen Sterblichkeitsraten in jedem dieser Länder aufgeführt.

Die Länder und Hauptstädte, die am meisten von der Implementierung von IoT-Sensoren profitieren würden

Wir wollten insbesondere die Länder untersuchen, in denen die Sterblichkeitsraten am höchsten und die Kosten für die Implementierung der Sensoren niedrig bis moderat sind, um zu zeigen, welche Gebiete am meisten von einer verbesserten Überwachung der Luftverschmutzung profitieren würden.

Athen, könnte ein geeigneter Kandidat für IoT-Sensoren sein, da die Sterblichkeitsrate durch Luftverschmutzung 545,87 pro 1.000.000 Einwohner erreicht hat, bei Gesamtkosten von 5236,22 Dollar. Ebenfalls lohnen würde es sich für die albanische Hauptstadt Tirana, die eine Sterblichkeitsrate von 532,03 pro 1.000.000 Einwohner und Durchführungskosten von 5.617,92 $ hat. Auch Sarajevo, das bei unserer Feinstaubvisualisierung europaweit am schlechtesten abschnitt, könnte von einer verstärkten Überwachung der Luftverschmutzung profitieren, denn die Sterblichkeitsrate ist mit 1094,15 pro 1.000.000 Einwohner hoch und die Gesamtkosten für die Umsetzung belaufen sich auf 19.017,60 Dollar.

Auf internationaler Ebene könnten auch Neu-Delhi und Kathmandu von einer besseren Überwachung der Luftverschmutzung profitieren. Indien hat eine Sterblichkeitsrate von 717,17 pro 1.000.000 Einwohner, während Nepal eine Rate von 625,1 pro 1.000.000 Einwohner aufweist. Dies könnte durch Investitionen in IoT-Sensoren in Höhe von 5738,88 $ für die Hauptstadt Neu-Delhi und 6.646,08 $ für Kathmandu vermittelt werden.

Welche Kosten sind höher: Sterblichkeit vs. Finanzen?

Es gibt mehrere Bereiche, in denen hohe Kosten in Form von Menschenleben auch mit hohen Kosten für die Implementierung von Sensoren einhergehen. Der Ort, an dem diese Investitionen am meisten ins Gewicht fallen, ist Peking. Die Sterblichkeitsrate liegt bei 993,58 pro 1.000.000 Einwohner und die Gesamtkosten für die Implementierung von Sensoren bei 2.205.571 $. In Europa gehört Zagreb, Kroatien, zu den 15 teuersten Hauptstädten bei der Implementierung von IoT-Sensoren mit 86.150,40 Dollar und einer Sterblichkeitsrate von 743,8 pro 1.000.000 Einwohner.

Letztlich zeigt diese Studie das Ausmass der Luftverschmutzung in Europa und weltweit sowie ihre Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit. Viele Länder haben Pläne zur Verringerung der Luftverschmutzung, doch angesichts der gesellschaftlichen Akzeptanz der aufkeimenden Technologie und der zunehmenden Entwicklung intelligenter Städte könnten IoT-Sensoren eine praktikable Lösung für die hyperlokale Echtzeitüberwachung sein, um die Strategie zu verfeinern und den Bürgern zu ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Sei es in Form von Selbstschutzmassnahmen wie dem Schliessen von Fenstern, dem Meiden von Gebieten mit hoher Luftverschmutzung und der Verwendung eines Luftreinigers zu Hause oder sogar der Verwendung einer Luftreinigungsmaske in der Öffentlichkeit − dies könnte den Bürgern eine bessere Kontrolle über ihre Gesundheit ermöglichen.


Methodik

Wir haben Daten von IQ air verwendet, um die PM2,5-Belastung in europäischen und internationalen Hauptstädten zu messen, und diese dann mit der statistischen Angabe verglichen, dass eine Belastung von 22 µg/m3 in etwa der einer Zigarette entspricht.

Wir haben dann die Grösse dieser Hauptstädte in Kilometern zum Quadrat genommen und sind von der Annahme ausgegangen, dass für eine erfolgreiche Überwachung der Luftverschmutzung in einem städtischen Gebiet IoT-Sensoren in einem Abstand von drei Meilen erforderlich sind, um zu berechnen, wie viele Sensoren benötigt werden, wobei wir zur Schätzung der Kosten Marktdurchschnittswerte verwendet haben. Anschliessend haben wir die finanziellen Kosten mit den Kosten für Menschenleben verglichen, indem wir die durch Luftverschmutzung bedingte Sterblichkeit in den untersuchten Gebieten untersucht haben.

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