Sebastian Werler Produktmanager Digital Business
Sebastian Werler ist seit 2018 Produktmanager für Digital Business bei Festo und für den Sortimentsbereich digitale Mehrwertlösungen verantwortlich. Diese Anwendungen erweitern die Hardware-Produkte von Festo um industrielle KI-Lösungen etwa für die vorausschauende Wartung. Von Beruf Informatiker, genießt Sebastian Werler nun die Konvergenz der neuesten Technologie des maschinellen Lernens mit dem Fertigungs-Know-how und der Automatisierungstechnik von Festo, um einen Sweet Spot für den Kunden zu schaffen: #higherproductivity.
1. Wie ist FESTO in der IIoT-Branche engagiert?
Als führendes Unternehmen in der Automatisierungstechnik ist Festo weltweit in vielen Branchen vertreten. Industrie 4.0 und das IIoT sind für uns nicht nur Schlagworte, sondern werden mit unseren Produkten auch umgesetzt Als Gerätehersteller fungiert ein großer Teil der Hardware-Produkte von Festo als Datenquelle für IIoT-Projekte. Mit seinem ständig wachsenden Portfolio an IoT-Lösungen engagiert sich Festo stark in der IIoT-Industrie: Es beginnt mit einem breiten Portfolio an Sensoren und intelligenten Produkten, die Daten auf der untersten Ebene aggregieren. Das Angebot wird mit IoT-Gateways (als Hardware- oder Softwaremodule) fortgesetzt, die eine Brücke zwischen der OT- und der IT-Welt schlagen. Dies ist vor allem in Brown-Field-Szenarien nützlich, in denen die Geräte in der Regel nicht über moderne Schnittstellen zur Datenerfassung verfügen.
Abgerundet wird das Portfolio durch unsere KI-basierte Software Festo AX, die z.B. Anlagenausfälle oder Qualitätsabweichungen vorhersagt und die Produktivität erhöht.
2. Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselfaktoren, die diese Branche voranbringen?
In einer zunehmend heterogenen Anbieter- und Produktlandschaft ist Offenheit der Schlüssel zum Erfolg für die Industrie 4.0 Viele verschiedene IoT-Plattformen, die Angebote der sogenannten “Hyperscaler” im Cloud Computing und eine Vielzahl von Ökosystemen und Allianzen im Edge Computing: Wer hier erfolgreich sein will, setzt auf offene Technologien und Standards, wie OPC-UA auf der Feldebene, Containerisierung und Microservices im Bereich der Softwarearchitektur und beispielsweise ONNX für die Verteilung von KI-Modellen.
Offenheit und Standards reduzieren das Investitionsrisiko für OEMs, indem sie Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern vermeiden und Lock-in-Effekte für Maschinenbetreiber verhindern.
3. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen bei der Arbeit in dieser Branche?
Für Unternehmen, die Lösungen in diesem Bereich anbieten, ist es eine Herausforderung, die Einzigartigkeit des eigenen Angebots zu finden. Viele Unternehmen, vom Start-up bis zu bekannten Industrieunternehmen und den so genannten “Hyperscalern” wie Amazon und Microsoft, sind in dieser Branche tätig.
Mit der Übernahme des führenden deutschen KI-Unternehmens Resolto Informatik im Jahr 2018 hat Festo ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen, indem es sein großes Know-how in der Automatisierungstechnik mit umfassendem Data Science- und KI-Know-how kombiniert.
4. Was hält Ihrer Meinung nach einige Unternehmen davon ab, in IIoT zu investieren?
Oft fehlt den beworbenen IIoT-Diensten ein klares und leicht verständliches Wertversprechen: Was ist nach der Investition in solche Lösungen besser? Hinter den Schlagwörtern muss ein Geschäftsszenario erkennbar sein. Dies kann eine Steigerung der Produktivität, geringere Wartungskosten, bessere Bauteile oder ein geringerer Energieverbrauch sein.
Das Fehlen eines Business Case und eines klaren Wertversprechens hält Unternehmen von Investitionen in das IIoT ab.
Der Einstieg in die Welt von IIoT und Industrie 4.0 muss nicht schwer und teuer sein, er kann einfach und investitionsarm sein. Das kann mit einem digitalen Instandhaltungsmanagement wie “Smartenance” beginnen oder mit einem Pilotprojekt mit Festo AX, um den Wert für eine bestimmte industrielle Anwendung oder einen Prozess zu beweisen.
5. Was sagen Ihre Kunden zu Ihren Lösungen?
Die Kunden schätzen es, dass Festo sein Domänen-Know-how auch im Bereich der digitalen Services einbringt. Auch die Kunden verlangen dieses Know-how. Insbesondere schätzen die Kunden auch, dass Festo seine digitalen Lösungen auch in den eigenen Fabriken einsetzt und somit indirekt auch die Produktion des Kunden von den dort gemachten Erfahrungen profitiert.
Da Festo Zulieferer vieler produzierender Unternehmen ist, wird Festo auch eine verbindende Rolle zugeschrieben – also eine Funktion, die helfen kann, übergreifende Standards und Best Practices voranzutreiben und zu etablieren.
6. Wie wurden Ihrer Meinung nach die Sicherheitsbedenken berücksichtigt?
Edge Computing hat die Hürde für IoT-Projekte gesenkt, insbesondere im Hinblick auf Cybersicherheit und Datenschutz: Die Daten werden lokal und prozessnah verarbeitet und verlassen nicht (zwangsläufig) das Unternehmensnetz.
Um Vorbehalten und Risiken frühzeitig zu begegnen, ist es ratsam, bei der Einführung von IOT und KI in der Produktion auch die IT-Abteilung frühzeitig einzubinden. Für schnelle Erfolge und Pilotprojekte ist aber auch das Thema Edge Computing und das Testen in isolierten Netzen von Vorteil.
Bei der Entwicklung von IoT-Produkten wird empfohlen, die Sicherheit von Anfang an zu einer erstklassigen Anforderung zu machen – unabhängig davon, ob es sich um ein Hardware-Produkt oder eine Software handelt: Sicherheitsüberlegungen sollten Teil jedes Entwicklungsschritts sein, vom Anfang bis zur Veröffentlichung und dem Lebenszyklus des Produkts.
Darüber hinaus wird empfohlen, Sicherheitsüberlegungen und -maßnahmen durch externe Akteure zu validieren, z. B. durch Penetrationstests.
Unsere digitalen Produkte werden regelmäßig diesen Tests unterzogen und wir haben ein Product Security Incidence Response Team (PSIRT) innerhalb von Festo eingerichtet, um das Thema unserer Produkte, Hardware- und Softwareprodukte zu behandeln und zu verwalten.
7. Das IIoT ist eine sehr datengetriebene Branche. Bieten Sie Datendienste an? Wie unterscheidet sich diese Lösung von denen anderer Wettbewerber?
Mit Festo AXbieten wir eine datengetriebene Lösung. Festo AX ist eine End-to-End-Lösung, die mit der Verbindung von Maschinen und der Erfassung der richtigen Daten in der richtigen Granularität beginnt. Dies ist die Festo AX-Konnektivitätsschicht. Als nächstes werden die Daten von Datenwissenschaftlern analysiert und aufbereitet. Anschließend werden dann Machine Learning Modelle mit den aufbereiteten Daten in Festo AX trainiert. Diese Modelle bewerten Anomalien und klassifizieren Daten und sagen Geräteausfälle, Qualitätsabweichungen oder Leckagen in industriellen Maschinen und Prozessen voraus.
Diese End-to-End-Lösung, die Domänenwissen, Shopfloor-Know-how, Data Science sowie einen modernen Software-Stack kombiniert, ist ein Sweet Spot für Kunden. Dieser tiefgreifende Ansatz ist bei konkurrierenden Diensten selten zu finden. Bei vielen fehlt beispielsweise die Konnektivität zu Brownfield-Systemen oder können nur in öffentlichen Clouds betrieben werden. Festo AX hingegen richtet sich ganz nach Ihren Bedürfnissen und kann entweder direkt an Ihrer Anlage (on-edge), auf Ihren Servern (on-premises) oder in der Cloud betrieben werden.
8. Investitionen in IIoT-Lösungen können teuer werden, wenn sie fehlerhaft geplant wurden. Welche Unterstützung bieten Sie Ihren Kunden bei der Einführung Ihrer Anwendungen?
Wir bei Festo bieten unseren Kunden an, sie von der Konzeption bis zum Rollout zu unterstützen. Um schnelle Erfolge sehen zu können, ist es sinnvoll, sich auf Teilbereiche einer Produktion zu konzentrieren und dort zunächst Konzepte und Strategien zu testen, bevor man große Einführungsprojekte durchführt. Interventionen und Gegenmaßnahmen sind in einem kleineren Maßstab natürlich viel einfacher. Da wir selber auch ein produzierendes Unternehmen sind, können wir auch unsere eigenen Erfahrungen aus unseren Fabriken mit unseren Kunden teilen. Dieses Wissen und die gewonnenen Erfahrungen fließen auch kontinuierlich in die Weiterentwicklung von IIoT-Produkten ein.
9. Wo, denken Sie, wird in den nächsten paar Jahren der Fokus im IIoT liegen?
Ein Schwerpunkt wird die Einrichtung weiterer Leuchtturmprojekte sein. Diese erfolgreich durchgeführten Projekte haben Auswirkungen auf einen Kunden, können aber auch eine ganze Branche beeinflussen. Zunehmend werden auch die Protokolle und Interaktionsmodelle weiter standardisiert, was die unternehmens- oder lieferantenübergreifende Zusammenarbeit erleichtern wird.
In der Regel hinkt das verarbeitende Gewerbe anderen Branchen immer etwas hinterher. In den nächsten Jahren werden wir daher wahrscheinlich eine weitere Etablierung von datengesteuerten Ansätzen erleben, wie sie in anderen Branchen, z. B. im Finanzwesen, schon lange üblich sind. Die datengestützte Entscheidungsfindung und Virtualisierung im gesamten Fertigungsbereich, d.h. von der Maschinenplanung bis zur Inbetriebnahme und dem Betrieb, wird immer mehr zum Standard werden.
10. Was reizt Sie an der Arbeit in dieser Branche am meisten?
Es gibt ein großesVerbesserungspotezial von Prozessen. Diese können oft sogar nur mit einfachen Werkzeugen und Methoden verbessert werden. Unsere Software “Smartenance” zum Beispiel hilft, die Instandhaltung von Stift und Papier auf eine digitale Lösung umzustellen und damit die täglichen Routineaufgaben deutlich zu vereinfachen.
Außerdem erlebt man jeden Tag neue Herausforderungen und hat mit den neuesten Technologien wie Robotik und KI zu tun.
11. Blickt FESTO bereits in Richtung Industrie 5.0?
Der Begriff Industrie 5.0 wird mit Themen wie Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Menschenzentrierung und Autonomie in Verbindung gebracht.
Natürlich beschäftigt sich Festo mit all diesen Themen. In erster Linie natürlich mit Maßnahmen und Anstrengungen, den CO2-Fußabdruck sukzessive zu reduzieren und einen eigenen Beitrag zur klimaneutralen Produktion zu leisten. Darüber hinaus engagiert sich Festo mit seinem Geschäftsbereich Festo Didiactiv aktiv in der Weiterbildung und Qualifizierung von Arbeitskräften für die Arbeitswelt von morgen. Und im Bereich der Autonomie forscht und entwickelt Festo ständig weitere Technologien für autonome Maschinen und Produktionsprozesse.
12. Was sind die aktuellen und zukünftigen digitalen Ambitionen Ihres Unternehmens?
Als weiteren Baustein auf dem Weg zu höherer Produktivität möchten wir unseren Kunden digitale Dienste zur Verfügung stellen. Digitale Dienste sollen einerseits Kernprodukte um Funktionen und einen Mehrwert ergänzen, andererseits aber auch als eigenständige digitale Dienste einen Mehrwert für die Kunden bieten.
Darüber hinaus zeigen sich die digitalen Ambitionen von Festo auch im Bereich der Vertriebskanäle durch den kontinuierlichen Ausbau des Online-Shops und der Produktkonfiguratoren. Desweiteren ist das Thema digitales Zwlling auch für Festo wichtig. Einzelne, spezifische Baugruppen können bereits als digitaler Zwilling von Festo bezogen werden. Dies ermöglicht die virtuelle Planung und Inbetriebnahme von Maschinen und Prozessen und wird in Zukunft noch deutlich ausgebaut werden.
13. In der IoT-Branche gibt es viele Hersteller, die alle an verschiedenen Standards oder firmeneigene Spezifikationen arbeiten, was die Kommunikation untereinander erschwert. Wie kompatibel sind Ihrer Meinung nach Ihre Lösungen in der Industrie?
Festo ist aktives Mitglied in verschiedenen Organisationen und Gremien zur Entwicklung von Standards, wie der OPC Foundation und der Industrial Digital Twin Association (IDTA). Die angenommenen Normen finden dann ihren Weg in die Produktentwicklung.
Im Bereich der digitalen Dienste setzt Festo, wo immer möglich, auf die Verwendung von Standards. Aber auch der Endkunde, der einen digitalen Dienst letztlich nutzt, hat entscheidenden Einfluss auf dessen Einsatz: Festo orientiert sich vor allem an seinen Wünschen und richtet sich nach seinen Vorgaben. Endnutzer wie Automobilhersteller, Lebensmittelkonzerne usw. haben einen großen Einfluss auf die Umsetzung von Normen in die Praxis.
14. Was ist das Besondere an Ihrer Technologie, die alle Systeme zu einer datengesteuerten Lösung verbindet?
Der einzigartige Ansatz von Festo ist die Kombination aus umfassendem Domänen-Know-how in der pneumatischen und elektrischen Automatisierung, umfangreichem Industrie- und Branchen-Know-how sowie Know-how im Bereich KI, Machine Learning und Data Science. Diese Kombination ist wirklich selten, in einzelnen Märkten sogar einzigartig, und macht den Ansatz von Festo aus. Viele Unternehmen haben den Weg von den Maschinen bis hin zu den Geschäftserkenntnissen bereits hinter sich gebracht. Festo bietet einen ganzheitlichen Ansatz, von der OT bis zur IT.
15. Wie unterstützen Sie die Steigerung der Produktivität durch Echtzeit-Daten?
Die von unserer Software generierten Wartungsmeldungen, Anomalie-Erkennungen und andere Ereignisse können sofort an andere Systeme weitergeleitet werden. So können die Entscheidungsträger sofort auf Störungen oder mögliche Wartungsereignisse reagieren.
16. Was ist Ihre neueste Innovation, um die KI-Automatisierung voranzutreiben? (Echtzeit-Datenerfassung, Nachverfolgung, Planung, Steuerung und Lösungsvorschläge)
Unsere neueste Innovation in diesem Bereich ist “GripperAI”. Dabei handelt es sich um eine Software, die ein trainiertes neuronales Netz enthält, das an einen Roboter mit angeschlossenem Bildverarbeitungssystem angeschlossen ist, der Pick-and-Place-Aufgaben durchführt. GripperAI ermöglicht den autonomen Griff in eine Kiste: Das heißt, ein Greifer kann Teile, die in einer Kiste liegen, aufnehmen und ablegen, ohne dass er vorher auf diese Teile trainiert werden muss. Dadurch wird die Inbetriebnahmezeit drastisch reduziert und die Flexibilität erhöht. GripperAI wird bereits von Kunden im Logistikbereich mit großem Erfolg eingesetzt.