Das ist SecondHands, der Roboter, der den Technikern bei Ocado zur Hand geht

Ocado hat seine Smart-Plattform an Supermärkte in Schweden und den USA verkauft. Erfahren Sie in unserer zweiteiligen Serie mehr über die Technologie, auf der das automatisierte Lager von Ocado basiert.


Lesen Sie den ersten Teil dieser Reihe hier: Der SoMa-Roboter von Ocado könnte den Lebensmittelhandel nachhaltig verändern

Der Online-Supermarkt Ocado ist mit seiner Smart-Plattform Vorreiter bei automatisierten Lagern. Unternehmen in den USA und Schweden haben die Plattform bereits übernommen.

Hinter den Kulissen bei Ocado sind die Investitionen in die Automatisierungstechnik beeindruckend – von Droiden, die in Rastern herumschwirren, zu Roboterhänden, die empfindliche, sich dynamisch verändernde Objekte greifen und handhaben können.

All diese Systeme müssen selbstverständlich überwacht und gewartet werden – und natürlich befasst sich der Geschäftsbereich Ocado Technology damit, wie Aspekte dieser Wartungsarbeiten automatisiert werden können.

Ein zweites Paar Hände im Lager

Duncan Russell ist Forschungskoordinator bei Ocado Technology

Nachdem er seinen B. Eng. in Elektronik an der Kingston University in Grossbritannien abgeschlossen und zehn Jahre lang in der Industrie gearbeitet hatte, promovierte Duncan im Bereich „Sicherer kollaborativer Workflow für Grid-Computing“ an der University of Leeds. Als promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter leitete er den Bereich Systemarchitektur im Rahmen des NECTISE-Projekts, finanziert durch den EPSRC und BAE Systems.

Seither hat Duncan als Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei Image Analysis Ltd und als CTO bei DRTS Ltd gearbeitet, wo er zwei EU-finanzierte Forschungs- und Innovationsprojekte (RAISME, AAPD) leitete.

Duncan Russell, Research Coordinator, Ocado Technology

Seit 2016 arbeitet Duncan bei Ocado Technology. Neben der Organisation von Kooperationen zwischen verschiedenen Forschungs- und Innovationsteams innerhalb von Ocado Technology und der Zusammenarbeit mit externen akademischen und industriellen Forschungsinstituten ist er derzeit für die Leitung der Robotik-Forschungsprojekte SoMa und SecondHands im Rahmen des EU-Förderprogramms Horizont 2020 zuständig.

„SecondHands ist ein proaktiver Wartungsassistent, der die Techniker im Lager unterstützen soll, wenn sie regelmässige präventive Wartungsarbeiten an den Fördersystemen durchführen und nach höhergelegenen Dingen greifen, mit schweren Geräten arbeiten, mehrere Dinge gleichzeitig halten müssen und Werkzeuge benötigen – vielleicht stehen sie gerade auf einer Leiter und brauchen ein anderes Werkzeug. Der Roboter SecondHands bietet dem Techniker also ein zweites Paar Hände“, so Duncan. 

„Das war der vorrangige Anwendungsfall, und das Projekt entwickelte sich dann in einen humanoiden Roboter mit eigener Intelligenz, der selbst darüber entscheidet, wo er dem Techniker proaktiv Hilfe bei seinem normalen Arbeitsablauf anbieten soll.“

„Wir haben uns für die Entwicklung des integrierten Roboters mit verschieden akademischen Partnern zusammengetan, die einige der grundlegenden Forschungsprobleme lösen sollten.“

Welche Rolle spielen die jeweiligen akademischen Partner?

„Wir entschieden uns für die Zusammenarbeit mit dem KIT [Karlsruher Institut für Technologie], das den Roboter baut, sein Design und die Echtzeit-Steuerung entwickelt und am Greifmechanismus arbeitet.

Das KIT arbeitet auch am Sprachdialogsystem, bei dem der Techniker in der Lage sein soll, mit dem Roboter ein Gespräch zu führen, anstatt lediglich einzelne Befehle zu geben und eine einfache Antwort zu erhalten.

Mit dem Bildverarbeitungssystem des UCL [University College London] werden die Roboter in der Lage sein, Objekte in der Bildszene zu erkennen und anhand der Pose des Technikers herauszufinden, was dieser gerade macht.

Rom [Sapienza Università di Roma] ist für die eigentliche Intelligenz des Systems zuständig. Sie sehen sich die Aktivitäten des Menschen an, finden heraus, wo er sich im Arbeitsablauf befindet, entscheiden, was der Roboter in Bezug auf seine proaktive Hilfe tun soll, und bringen ihn an die richtige Stelle, um dem Techniker zu helfen. Dazu gehört eine Arbeitsplatzanalyse des KIT darüber, wo der Roboter neben dem Menschen sicher betrieben werden kann.

Und schliesslich stellt die EPFL [Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne] die bimanuelle Manipulation zur Verfügung – die Dynamik, mit der Werkzeuge an Menschen übergeben und Lasten aufgeteilt werden. Der Roboter soll das Verhalten des Menschen nachahmen, sodass das Verhalten bei der Übergabe von Werkzeugen sehr natürlich ist – so wird das Helfen und Arbeiten im selben Raum wie der Mensch ermöglicht.“

Und was ist Ocados Rolle im Projekt?

„Ocado kümmert sich um die Projektkoordination und die Integration aller dieser Systeme am Roboter.

Wir haben an verschiedenen Möglichkeiten zur Integration dieser Komponenten gearbeitet, die Interoperabilität ermöglichen, aber auch die Flexibilität, dass die Partner in ihrer eigenen Umgebung arbeiten können. Dies war nötig aufgrund der Tatsache, dass nur ein Roboter zur Verfügung stand, und damit die Integration sehr schnell zwischen allen Partnern demonstriert werden konnte.“

Wie setzt sich das SecondHands-Team bei Ocado zusammen, und vor welchen Herausforderungen standen Sie im Rahmen des Projekts bisher?

„Am SecondHands-Projekt bei Ocado arbeiten drei Hauptforscher. Sie nehmen Auswertungen vor, legen die Umgebung fest, in der der Roboter arbeitet, und führen die Tests durch. Ausserdem wirken mindestens drei von uns proaktiv am Projekt mit. Dazu gehören die Leitung von Experimenten und die Zuständigkeit für die Umgebung innerhalb des Projekts – so kann die Arbeit wirklich voranschreiten.

Die Laborfläche wird für weitere Projekte genutzt, ist jedoch hauptsächlich für das SecondHands-Projekt konzipiert. Wir haben einen Bereich, in dem wir den Roboter mit einem Motion-Capture-System für die Erhebung von Ground-Truth-Daten im Abgleich mit dem Bildverarbeitungssystem betreiben. Und wir haben schliesslich die Umleitungssysteme entwickelt und die Betriebssysteme im Lager in unserem Labor repliziert.

Wir haben Glück, dass sich das Roboterlabor im Lager befindet und daher genau dieselben Umgebungsbedingungen in Bezug auf Beleuchtung und Geräuschkulisse vorherrschen, bei denen auch die Techniker arbeiten müssen.

Das gehört auch zu den Herausforderungen, die wir bewältigen mussten. Bei vielen der Systemkomponenten – also beim Bildverarbeitungssystem und der Situationserkennung – müssen nämlich die Beleuchtung und die Hintergrundgeräusche berücksichtigt werden. Der Roboter wird also in der tatsächlichen Umgebung betrieben und getestet.“

Wie weit ist das Projekt fortgeschritten?

„Der Projektantrag wurde vor einigen Jahren gestellt, um die Finanzierung zu sichern. Dies ist ein grosses Projekt, das für fünf Jahre angesetzt ist.

Das Projekt läuft nun seit mehr als zweieinhalb Jahren, und durch die Entwicklung des ursprünglichen Designs sind neuronale Netzwerke in Robotiksystemen nun viel bedeutender geworden. Wir haben viel mehr Daten für das Lernen und viele der Komponenten, während wir die Ziele aus dem ursprünglichen Antrag verfolgen. Die zugrundeliegenden technischen Systeme haben sich ein wenig geändert, sodass es nun viel mehr Anforderungen an komplexe Verarbeitungsprozesse gibt, um neuronale Netzwerke zu betreiben und die Intelligenz des Systems zu entwickeln.

Wir haben neulich den neuen Roboter in Empfang genommen, und mit unserem Integrationsansatz hat es nicht allzu lange gedauert, alle Komponenten am Roboter zum Laufen zu bringen. Das war eine wirklich gute Leistung: Der Roboter arbeitete in der Umgebung, und wir mussten versuchen, die Einschränkungen dieser Komponenten an die Umgebung anzupassen, z. B. an die Lichtverhältnisse, das Erkennen von Dingen innerhalb der physischen Umgebung. Es mussten also weitere Lernprozesse in Bezug auf die Systeme stattfinden, doch die Strukturen waren bereits vorhanden. Das war das Hauptergebnis der ursprünglichen Integration.

Die proaktive Hilfe befindet sich immer noch in Entwicklung. Wir arbeiten weiterhin am Ansatz der Forschung und an Dingen wie dem Bildverarbeitungssystem. Die grundlegende Erkennung ist vorhanden, aber die Leistung muss sich deutlich verbessern, um tatsächlich proaktiv Hilfe zu bieten, Entscheidungen in Echtzeit zu treffen und mit dem Techniker zusammenzuarbeiten.“

Wie lange dauert es noch, bis der Roboter im Lager eingesetzt werden kann?

„Ich glaube, dass viele Aspekte des Projekts weiterentwickelt werden können. Ich denke, der Roboter als Ganzes und das intelligente System als Ganzes werden noch eine weitere Phase der Entwicklung am Ende des Projekts durchlaufen müssen. Es gibt jedoch einige erste Erkenntnisse, einige erste Komponenten, die bereits verwendet werden können.

Das Armdesign ist wirklich fantastisch und könnte sofort genutzt werden. Und einige der Intelligenzkomponenten könnten weiterentwickelt werden. Aber insgesamt ist es immer noch eine grosse Herausforderung, den ganzen Roboter in der Umgebung zu betreiben. Und das ist Teil unserer nächsten Schritte im Rahmen des Projekts.

Wir hoffen, viele Aspekte davon umgehend nutzen zu können und zu beobachten, wie sich der Roboter stetig weiterentwickelt, sodass er proaktive Unterstützung bieten kann.“

Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Arbeit in der Robotik?

„Robotik ist wahrscheinlich das grösste Problem der Systemtechnik. Und insbesondere bei einem Projekt wie SecondHands, wo wir einen Roboter entwickeln müssen, der mit Menschen interagiert.

Die Roboter arbeiten direkt mit Menschen zusammen. Man steht also vor einer systemtechnischen Herausforderung im Hinblick auf die Funktionsteile des Roboters – die Physik des Roboters – aber auch die soziale Interaktion und darauf, wie Menschen auf einen Roboter in einer Umgebung reagieren.“

Das SecondHands-Projekt stellt einen bedeutenden Schritt in der Cobot-Technologie dar und verschafft uns einen Einblick in die Zukunft der automatisierten Lager.

Letztendlich bringt sie uns einer Zukunft näher, in der wir mit humanoiden Robotern zusammenarbeiten, die mit uns interagieren, unsere Bedürfnisse vorhersehen und sogar einige unserer Fähigkeiten übertreffen können.

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