Künstliche Intelligenz und der Mensch: Wie wird unsere gemeinsame Zukunft aussehen?

Aktuelle Fernsehserien wie Humans und Westworld zeichnen ein eher verstörendes Bild von unserem Zusammenleben mit hochentwickelten Robotern. Sie zeigen, dass Menschen die Tendenz haben, anthropomorphe Roboter schlecht zu behandeln und zu missbrauchen, wenn diese über keinerlei Rechte verfügen. Aktuell handelt es sich noch um eine Fiktion, aber können wir davon ausgehen, dass unsere Gesellschaft Roboter mit Respekt behandeln würde, wenn es einmal so weit kommen sollte?


Bis zum Jahr 2030 … 

werden Prognosen zufolge 800 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz aufgrund von Automatisierung verlieren 

werden 14 % der globalen Erwerbsbevölkerung ihr Berufsfeld wechseln müssen

(Quelle: McKinsey Global Institute)

Selbstbedienungskassen und intelligente Drehkreuze ersetzen menschliche Kassierer. Kommissionierroboter ersetzen menschliche Lagerarbeiter. Sogar Fastfood-Köche werden schon durch Burger bratende Roboter ersetzt. Falls Sie es also noch nicht gehört haben: Roboter übernehmen unsere Jobs. Und das löst naturgemäß große Ängste aus.

Unser Verhältnis zu Robotern heute

Laut einer aktuellen Umfrage des Eurobarometers haben 74 % aller EU-Bürger die Befürchtung, dass durch Roboter und KI mehr Jobs vernichtet werden, als neue entstehen. Auch in den USA sind mehr Menschen besorgt als begeistert darüber, dass Roboter die Jobs von menschlichen Arbeitskräften übernehmen. In einer Studie des Pew Research Centers zeigten sich lediglich 33 % der Menschen begeistert von dieser Aussicht.

Und obwohl viele Experten das Gegenteil prognostizieren – laut Gartner werden durch KI mehr neue Jobs entstehen als wegfallen – ändert das nichts daran, dass viele Menschen mit Sorge in die Zukunft blicken.

Bill Gates, Stephen Hawking und Elon Musk gehören zu denen, die vor dem Anstieg der KI warnen. Sie haben große Bedenken hinsichtlich einer nicht mehr allzu weit entfernten Zukunft, in der Roboter dominant werden und unsere Existenz als Menschen bedrohen könnten.

Trotzdem ist davon auszugehen, dass der Markt dramatisch wachsen wird. Accenture hat die Auswirkungen von KI in 12 Industriestaaten untersucht und prognostiziert, dass KI bis zum Jahr 2035 zu einer 40-prozentigen Steigerung der Arbeitsproduktivität und einer Verdoppelung der jährlichen Wachstumsraten führen wird.

Das liegt daran, dass die potenziellen Vorteile der KI enorm sind. KI kann Entscheidungsprozesse unterstützen, die Effizienz betrieblicher Abläufe steigern, Lieferketten beschleunigen und letzten Endes unser Konzept von Arbeit von Grund auf ändern.

Laut dem kürzlich von McKinsey veröffentlichten Bericht A Future That Works („Eine Zukunft der Arbeit, die funktioniert“) könnte die Automatisierung:

  • das globale Produktivitätswachstum um 0,8 bis 1,4 % pro Jahr steigern,
  • helfen, dem demografischen Trend zur Überalterung in den Industrienationen und Entwicklungsländern zu begegnen,
  • die Wirtschaftsleistung durch höhere Gewinne, Produktivität, Sicherheit und Qualität verbessern.

Damit wir die potenziellen Vorteile der KI tatsächlich nutzen können, müssen wir jedoch zunächst die bestehenden Probleme im Zusammenhang mit der Technologie angehen. Und dabei geht es insbesondere um die Rolle, die Roboter in unserer Gesellschaft einnehmen.

Können Roboter uns jemals ebenbürtig sein?

Ein frustrierter Mitarbeiter tritt gegen einen Kopierer mit Papierstau. Ein wütender Kunde schreit eine SB-Kasse an, die nicht reagiert. Ein Kleinkind wirft ein iPad auf den Boden. In diesen Szenarien sehen wir keinen Grund, Mitleid für die unbelebten Objekte zu empfinden. Es handelt sich schließlich nur um leblose Maschinen.

Aber was wäre, wenn die Maschinen menschlich wirkende Eigenschaften hätten? Würden wir sie trotzdem angreifen oder beleidigen, oder würden wir anders mit ihnen umgehen? Wenn sich Roboter von unbelebten Objekten zu intelligenten Maschinen entwickeln, ergeben sich schwierige Fragen, was unseren Umgang mit ihnen angeht.

Unsere zwiespältigen Gefühle gegenüber Robotern

In Studien wurde festgestellt, dass wir Robotern gegenüber eher Empathie empfinden, wenn sie menschliche Eigenschaften zeigen.

Sehen Roboter allerdings zu realistisch aus, verschwinden unsere emphatischen Gefühle. Stattdessen fühlen wir uns unbehaglich und sind verstört. Das Phänomen wird als „Uncanny Valley“ oder „Akzeptanzlücke“ bezeichnet.

Hinter dem Konzept des „Uncanny Valley“ verbirgt sich allerdings noch mehr. Wissenschaftler haben untersucht, wie sich menschliche Wahrnehmungen auf die Akzeptanz von Robotern auswirken würden.

Die Studie deutet darauf hin, dass natürlich wirkendes Verhalten für uns in Ordnung ist, wenn es von Menschen kommt oder wenn Computer sich auf ein vorgegebenes Skript stützen. Wenn es jedoch Maschinen sind, die sich natürlich verhalten und dabei scheinbar echte Emotionen empfinden, fühlen wir uns unwohl.

Werden Roboter Emotionen entwickeln?

Geschichten wie Der 200 Jahre Mann oder Blade Runner, in denen Roboter mit KI über menschliche Gefühle verfügen, gibt es zu genüge. Diese Geschichten sind für uns so spannend, weil Gefühle meist als das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Menschen und Maschinen angesehen werden.

Aber selbst wenn Wissenschaftler in der Lage wären, die Hirnchemie zu replizieren, die bei uns für Freude, Wut, Traurigkeit oder Angst sorgt – sollten sie das auch?

Gegenwärtig operieren Roboter rational. Sie treffen Entscheidungen auf der Basis von Algorithmen und Logik. Der Vorteil dieser Rationalität ist, dass sie berechenbar und kontrollierbar sind. Rationale Roboter werden sehr wahrscheinlich kein Verhalten zeigen, für das sie nicht programmiert wurden.

Wenn Roboter Emotionen entwickeln könnten, hätte dies allerdings auch Vorteile. Pflegeroboter mit Emotionen könnten es Menschen zum Beispiel erleichtern, eine emotionale Verbindung zu den Maschinen aufzubauen. Hätten sie Emotionen, wären Roboter auch besser darin, auf das emotionale, soziale und mentale Wohlbefinden von Menschen einzugehen. Emotionen könnten zudem das Verhalten von Robotern beeinflussen und ihnen eventuell ethische Entscheidungenermöglichen.

Hier stellt sich aber zunächst die Frage: Was macht Menschen emotional? Unsere Emotionen werden durch physische Reaktionen ausgedrückt. In Situationen, in denen wir Angst haben, beschleunigt sich unser Herzschlag. Wenn wir glücklich sind, steigt unser Serotoninspiegel. Unsere Emotionen sind kulturell geprägt und werden genauso stark durch Chemikalien beeinflusst wie durch unsere Persönlichkeit.

Wenn man bedenkt, dass Roboter aus Metall und Kunststoff gefertigt sind – können sie dann jemals wirklich in der Lage sein, menschliche Emotionen zu empfinden?

Das Bewusstsein erforschen

Vielleicht ist die Frage gar nicht, ob Roboter echte Gefühle empfinden können. Vielleicht geht es eher darum, ob sie wissen, dass sie existieren. Zumindest steht die Frage nach dem Bewusstsein im Zentrum der meisten Argumente für Roboterrechte. Dabei ist es allerdings schwierig zu definieren, was Bewusstsein eigentlich ist.

In einer kürzlich in Science veröffentlichten Übersichtsarbeit postulieren die Forscher, dass es drei Haupttypen von Bewusstsein gibt:

Die erste Ebene ist C0. Sie bezieht sich auf unbewusste Prozesse, die im menschlichen Gehirn ablaufen, wie Gesichts- oder Spracherkennung. Menschen sind sich oft nicht einmal darüber bewusst, dass diese Prozesse ablaufen.

Die nächste Ebene ist C1. Hier bezieht sich Bewusstsein auf das Treffen von Entscheidungen, das Erinnern an vergangene Erlebnisse und das Durchdenken mehrerer Möglichkeiten. Die Fähigkeit, einen Gedanken oder eine Kette von Gedanken weiterzuverfolgen, bestimmt unser bewusstes Verhalten.

Die letzte Bewusstseinsebene ist C2. Sie basiert auf der Fähigkeit, sich seiner eigenen Gedanken bewusst zu sein. Diese Ebene führt zu Neugier und Motivation, weil Menschen erkennen, was sie wissen und was sie nicht wissen.  In der Veröffentlichung wird konstatiert, dass manche Roboter zwar bereits einige Aspekte von C2 erreicht haben, da sie ihre eigenen Fortschritte überprüfen und Methoden zur Problemlösung erlernen können, die meisten Maschinen mit KI jedoch immer noch auf der Ebene C0 operieren.

Auch wenn dies nur eine mögliche Definition von Bewusstsein ist, hoffen die Wissenschaftler, dass diese Kategorien als Orientierungshilfe bei der Entwicklung künftiger KIs dienen können.

Roboterrechte: Sollte es sie geben?

Auch wenn das Problem gegenwärtig noch nicht akut ist, ist es sinnvoll, sich schon jetzt mit der Frage auseinanderzusetzen: Wenn Roboter irgendwann ein Bewusstsein entwickeln und Emotionen empfinden und verarbeiten können – sollte es für Maschinen dann auch so etwas wie Menschrechte geben?

Einige Länder räumen Robotern bereits heute einen gewissen Grad an Rechten ein. Saudi-Arabien war 2017 das erste Land, in dem ein Roboter, der den Namen Sophia trug und von Hanson Robotics entwickelt wurde, die Staatsbürgerschaft erhielt. Einige Wochen später wurde in Japan Mirai, ein siebenjähriger humanoider Chatbot, als offizieller Einwohner von Shibuya registriert.

Auch wenn es sich bei diesen Beispielen eher um PR-Gags handelt, zeigen sie doch eine mögliche zukünftige Entwicklung auf. Kritiker führen an, dass Sophia mehr Rechte genießt als die meisten Frauen in Saudi-Arabien. Andere verweisen auf die langjährige Unterdrückung von Minderheiten in der Geschichte Japans und darauf, wie unfair es ist, Robotern eine größere Bedeutung beizumessen. Außerdem wird angeführt, dass der immer noch andauernde Kampf für universelle Menschenrechte Priorität vor den Rechten von Robotern haben sollte.

Wie bei vielen Fragen rund um die KI gehen die Meinungen über den richtigen Weg für die Zukunft auch hier auseinander. 

Joanna Bryson ist Associate Professor an der Fakultät für Computer Science der University of Bath. Sie ist der Meinung, dass Roboter als „Sklaven“ betrachtet werden sollten. Sie argumentiert, dass wir Roboter und Menschen auf die gleiche Stufe stellen, wenn wir Robotern Rechte zugestehen, und dass die Menschheit damit in ihren Möglichkeiten eingeschränkt wäre, ihre Ambitionen zu verwirklichen.

„Roboter sollten als Sklaven gefertigt, vermarktet und auch rechtlich entsprechend betrachtet werden – nicht als gleichwertige Gefährten.“

– Joanna Bryson

Kate Darling, Expertin für Roboterethik und Forschungskraft am Massachusetts Institute of Technology, ist dagegen der Meinung, dass Roboter rechtlich geschützt werden sollten, um Misshandlungen zu verhindern – ähnlich wie beim Tierschutz. Für sie geht es dabei ebenso sehr darum, unsere eigene Moralität zu schützen, wie um den Schutz der Maschinen.

„Wenn wir Tiere unmenschlich behandeln, macht uns das selbst unmenschlich. Das gilt logisch weitergedacht auch dafür, wie wir unsere Roboter-Gefährten behandeln. Wenn wir ihnen rechtlichen Schutz zugestehen, könnte das bei uns Verhaltensweisen verstärken, die wir im Allgemeinen als ethisch richtig betrachten, oder zumindest Verhalten, das unser Zusammenleben angenehmer macht.“

– Kate Darling

Der Philosophieprofessor Eric Schwitzgebel geht sogar noch weiter. Er argumentiert, dass wir Robotern gegenüber sogar eine größere moralische Verpflichtung haben als Menschen gegenüber, weil sie so etwas wie unsere Kinder sind.

„Wir werden ihre Schöpfer und Designer sein. Wir sind daher direkt verantwortlich für ihre Existenz und dafür, ob sie glücklich oder unglücklich sind. Wenn ein Roboter unnötig leidet oder sein Entwicklungspotenzial nicht erreicht, ist das zu einem erheblichen Teil unser Verschulden – weil wir bei der Konstruktion, beim Design oder bei der Pflege Fehler gemacht haben.

Unser moralisches Verhältnis zu Robotern wird eher der Beziehung von Eltern zu ihren Kindern oder der von Göttern zu den Wesen, die sie erschaffen haben, ähneln als den Beziehungen zwischen fremden Menschen.“

– Eric Schwitzgebel

Um unseren Standpunkt zu Roboterrechten ausfindig zu machen, müssen wir unsere Beziehung zu Robotern genauer definieren. Denn auch wenn wir Roboter heute noch besitzen und steuern, wird es eine Zukunft geben, in der Menschen eng mit Robotern zusammenarbeiten, und in dieser Zukunft kann es möglicherweise auch dazu kommen, dass wir sozial mit ihnen interagieren oder uns vielleicht sogar in sie verlieben.

Wenn wir uns darüber klar werden, ob wir Besitzer, Eltern oder gleichwertige Gegenüber von Robotern sind, wird uns das helfen, zu entscheiden, wie wir mit Robotern umgehen und ob wir ihre Rechte schützen sollten.

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