Wie Roboter den Verteidigungssektor verändern

Viele Regierungen arbeiten daran, ihre Verteidigungsmöglichkeiten weiterzuentwickeln, um die Bedrohungen von heute und morgen abwehren zu können. Dank der Entwicklungen im Bereich Robotik und künstliche Intelligenz (KI) entstehen in rasantem Tempo neue militärische Anwendungsmöglichkeiten. 


Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr haben amerikanische und britische Soldaten am 6. April 2018 eine beispiellose Übung durchgeführt. Unter Verwendung von ferngesteuerten Baggern entfernten sie explosive Sprengstoffe und verfüllten einen Graben, während ein unbemanntes gepanzertes Fahrzeug mit einem weißen Rauchvorhang für Deckung sorgte.

Doch das ist nur ein Beispiel dafür, wie Roboter heute für militärische Zwecke eingesetzt werden. Auf der ganzen Welt investieren Regierungen Milliarden in diese Art von Technologie, weil sie das Potenzial hat, Kosten zu senken, Leistungen zu steigern und Leben zu retten. Es wird erwartet, dass das Volumen des internationalen Marktes für Militärrobotik von 1,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf 2,6 Milliarden US-Dollar bis Ende 2024 wachsen wird.

Nachfolgend stellen wir einige der derzeit entwickelten und neu eingesetzten Robotertechnologien vor – von Drohnen bis hin zu humanoiden Robotern – und betrachten, welchen Einfluss diese auf den Verteidigungssektor haben.

Unbemannte Luftfahrzeuge (UAV, Unmanned Aerial Vehicles)

Im Verteidigungssektor werden schon seit vielen Jahren UAVs bzw. Drohnen eingesetzt, die mit Infrarotkameras, GPS und Lasern ausgestattet sind – von kleinen Aufklärungs- und Überwachungsdrohnen bis hin zu mittelgroßen bewaffneten Kampfdrohnen und Spionageflugzeugen. Und es wird weiterhin in diesem Bereich investiert. Einem Bericht von Goldman Sachs zufolge werden sich die militärischen Ausgaben für Drohnentechnologie bis zum Jahr 2020 auf 70 Milliarden US-Dollar belaufen.

DARPA arbeitet aktuell an halbautomatischen Gremlin-Drohnen, die von einem Mutterschiff aus operieren. Ebenfalls in den USA werden Tests mit Aufklärungsrobotern im Taschenformat durchgeführt. Das deutsche und das französische Verteidigungsministerium haben kürzlich Pläne zur Entwicklung eines neuen Kampfflugzeugs namens „Eurodrone“ bekannt gegeben, das ab 2040 in Betrieb gehen soll.

Der Einsatz von Drohnen für militärische Zwecke hat das Potenzial, bestimmte Aufgaben effektiver und kosteneffizienter zu gestalten und zudem Leben zu retten. Sie können in Situationen eingesetzt werden, in denen der bemannte Flug als zu riskant oder schwierig eingeschätzt wird, als ein rund um die Uhr verfügbares Auge im Himmel agieren und Waffen mit höherer Genauigkeit einsetzen.

Aber genauso wie Drohnen der Wahrung nationaler Interessen dienen können, können Sie auch von Gegnern und Terroristen eingesetzt werden, z. B. zum Durchführen von Bombenangriffen, chemischen und biologischen Anschlägen oder der Störung von mobilen Telefonsignalen. Das macht eine Beobachtung des Himmels erforderlich, und Drohnen zur Abwehr von Drohen könnten der nächste Schritt sein.

Unbemannte Bodenfahrzeuge (UGV, Unmanned Ground Vehicles)

Was für den Einsatz von Drohnen in der Luft gilt, findet sich am Boden in ähnlicher Form wieder: Ferngesteuerte und halbautonome Roboter, die mit Software, Sensoren, Steuerungen und Kommunikationsverbindungen ausgestattet sind. Wozu werden sie eingesetzt? Analog zu den UAVs reichen die Einsatzzwecke von Überwachung und Aufklärung bis hin zum Transport von Ausrüstung, Minenräumung sowie Angriffen und Gegenangriffen.

Russland gehört neben den USA zu den Ländern, die den Fortschritt auf dem Gebiet der UGV-Technik vorantreiben. Der Hersteller von militärischer Ausrüstung JSC 766 UPTK setzte unlängst zum ersten Mal seinen UGV URAN-6 zur Entschärfung von Bomben und Minen und zur Erkundung unbekannter Gebiete in Syrien ein. Ebenfalls kamen ein 10 Tonnen schweres Kampf-UGV mit 30-mm-Geschütz, 7,62-mm-Maschinengewehr und Panzerfäusten sowie der T-14, ein halbautomatischer Panzer, zum Einsatz.

UGVs, die als Augen, Ohren und sogar als Kampfsoldaten dienen, werden für Bodenmissionen zunehmend unverzichtbar. Wenn Roboter zuerst ins Feld geschickt werden, bleiben Menschen sicher außerhalb der Gefahrenzone. Sie ermöglichen zudem einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung, selbst noch nach den eigentlichen Kampfhandlungen, da sie die zurückgebliebenen Bomben und Minen unschädlich machen können.

Da Kampf-UGVs jedoch zunehmend autonom agieren, wird vielfach befürchtet, dass diese Roboter menschliche Entscheidungen vollständig ersetzen könnten. Dmitry Ostapchuk, CEO von JSC 766 UPTK, entkräftet diese Befürchtungen und betont, dass „die Entscheidung über den Angriff eines Ziels stets von einem Menschen getroffen wird; letztendlich entscheiden also Menschen über die Frage, ob ein Schlag ausgeführt wird oder nicht.

Autonom fahrende Schiffe und U-Boote

Autonome U-Boote durchkämmen die Ozeane und spüren so feindliche Schiffe auf und greifen diese an. Das klingt zugegebenermaßen nach Science-Fiction, doch Prototypen dieser Technologie werden bereits getestet. Das 40-Meter-U-Boot Sea Hunter von DARPA, das noch dieses Jahr in Betrieb gehen soll, kann Geschwindigkeiten von 27 Knoten erreichen und ohne eine einzige Person an Bord für bis zu drei Monate im Einsatz sein. Die 15,5 Meter lange Echo Voyager von Boeing steht dem in kaum etwas nach.

Das US-amerikanische Office of Naval Research hat vor kurzem eine Flotte von autonomen Schiffen vorgestellt, die miteinander kommunizieren und zu einem Ziel ausschwärmen können. Künftige Einsatzmöglichkeiten? Der Schutz von Häfen vor Angriffen.  In Asien und Europa wird ebenfalls an verschiedenen unbemannten Schiffsprojekten gearbeitet. In Großbritannien hat die Royal Navy kürzlich eine autonome Räumbootflotte übernommen, die in der Lage ist, Seeminen zu entfernen.

Autonome U-Boote und Schiffe, die mit Computersystemen, GPS, Sonar-, Laser-, Infrarot- und anderen Sensoren ausgestattet sind, verbessern die Überwachungsmöglichkeiten und ermöglichen massive Einsparungen. Die Kosten für den Betrieb belaufen sich Schätzungen zufolge auf 15.000 bis 20.000 US-Dollar pro Tag. Zum Vergleich: Ein Zerstörer verursacht täglich Kosten von etwa 700.000 US-Dollar.

Laut DARPA könnten diese Schiffe auch US-Militäroperationen revolutionieren und zu einer „neuen Art der Kriegsführung auf dem Wasser“ führen, bei der auf den Kriegsschiffen keine Menschen mehr an Bord erforderlich sind. Eine Sorge im Zusammenhang mit unbemannten Schiffen auf den Meeren betrifft die Sicherheit, aber die neuesten Technologien erfüllen die Sicherheitsanforderungen.

Humanoide Soldatenroboter

Bewaffnete Androiden kennen wir schon aus dem Kino, aber jetzt sieht es so aus, als hätte die technische Realität die Fiktion eingeholt. Der russische humanoide Roboter mit dem Namen FEDOR, auch der „Terminator“ genannt, wurde so trainiert, dass er aus beiden Händen Schüsse abfeuern kann.  Er wurde zwar für Rettungseinsätze entwickelt, es gab aber auch bereits Ideen für militärische Anwendungen, sodass die Vorstellung einer ganzen Armee aus derartigen KI-Anwendungen in den Bereich des Möglichen rückt.

Doch nicht nur Russland verfügt über die nötige Technologie. Überall auf der Welt werden Hardware und Software weiter entwickelt, um die Fähigkeiten der humanoiden Roboter zu verbessern, sich fortzubewegen, Entscheidungen zu treffen, Gegenstände aufzunehmen und Aufgaben auszuführen. Valkyrie (Nasa) und Atlas (Boston Robotics) sind zwei dieser humanoiden Roboter mit stetig wachsenden Fähigkeiten.

Derzeit gibt es keinerlei Pläne, Roboter wie FEDOR in Kampfeinsätze zu schicken; sie sind allerdings in der Lage, sich durch unsere Städte und Gebäude zu bewegen, unsere Waffen zu verwenden und in Teams zu arbeiten.

Die ethischen und sicherheitsbezogenen Bedenken hinsichtlich solcher Soldatenroboter sind verständlicherweise immens. Wollen wir wirklich, dass autonome intelligente Wesen umherziehen und Waffen bedienen? Die unbewaffnete Missionsunterstützung ist aus heutiger Perspektive wahrscheinlich das erste Szenario, in dem sie tätig sein werden.

Exoskelette für bewaffnete Soldaten

Ist es ein Roboter oder ein Mensch? Nun, beides. Es wirkt wie ein lebendiger Iron-Man-Anzug, was das US Special Operations Command gemeinsam mit Harvard und DARPA derzeit entwickelt: Ein batteriebetriebenes Exoskelett aus Titan für Soldaten mit dem Projektnamen TALOS (für engl. „Tactical Assault Light Operator Suit“), das für mehr Kraft, Ausdauer und Ergonomie sorgen soll.

Zusätzlich zu einem widerstandsfähigen Exoskelett, das seinen Träger unterstützt, ist der Anzug mit physiologischen und biologischen Sensoren ausgestattet sowie mit Antrieben, die die Funktion von Muskeln übernehmen und den Anzug bewegen, mit Prozessoren und Computern, einem Helm mit Digitalanzeige und weiteren Kommunikationssystemen.

TALOS und andere Exoskelette aus europäischen Ländern sowie China und Russland wurden entwickelt, um Streitkräfte beim Zurücklegen langer Märsche oder dem Tragen schwerer Lasten, unter anderem von Verletzten, zu unterstützen. Darüber hinaus können sie Schutz bei Schusswaffen- und Bombenangriffen bieten.

Die Soldaten sparen Energie und erleiden weniger Verletzungen, wodurch sie über längere Zeiträume hinweg zu Fuß unterwegs sein können und weniger Pausen brauchen – ein enormer militärischer Vorteil. Auch wenn noch einige Schwierigkeiten zu beheben sind, wird die Fertigstellung des ersten Prototypen bereits Ende 2018 erwartet.

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