Nach einer Katastrophe sind es immer Menschen, die als erstes vor Ort sind und ihr Leben riskieren. Aber gibt es eine bessere Lösung? Treten Sie dem Rettungsteam bei.
Es gab ein Erdbeben. Ein Flugzeug ist abgestĂŒrzt. Ein Tornado hat eine Stadt zerstört. Was passiert als NĂ€chstes? Die Bodenmannschaft sucht unter den TrĂŒmmern nach Ăberlebenden, beurteilt das AusmaĂ der SchĂ€den und ermittelt weitere mögliche Gefahrenquellen.
Diese schwierigen und gefĂ€hrlichen Aufgaben mĂŒssen jedoch nicht mehr von Menschen ausgefĂŒhrt werden. Jetzt kommen die neuen Helden am UnglĂŒcksort zum Einsatz: die Such- und Rettungsroboter.
Der Einsatz von Robotern bei der Suche nach VerschĂŒtteten ist nichts Neues. Bei innerstĂ€dtischen Such- und RettungseinsĂ€tzen wurden sie erstmals nach den AnschlĂ€gen auf das World Trade Center eingesetzt. Die Technologien dieser Maschinen bieten ganz neue Möglichkeiten, RettungseinsĂ€tze zu beschleunigen.
SchwÀrme von Cyber-Kakerlaken
Sie liegen mehrere Meter tief unter TrĂŒmmern begraben, sind verletzt, aber noch am Leben. Ein Schwarm von Kakerlaken, der auf Sie zu krabbelt, ist wahrscheinlich das Letzte, was Sie jetzt sehen wollen. Doch genau das könnte passieren, wenn CRAM, ein Akronym fĂŒr âCompressible Robot with Articulate Mechanismsâ zum Einsatz kommt.
Der kleine Roboter wurde von einem Team von Wissenschaftlern der UC Berkeley und der Harvard University entwickelt. Er hat die Form einer Kakerlake und gelangt durch die kleinsten Spalten an bisher unzugĂ€ngliche Stellen. Dadurch kann er EinsatzkrĂ€fte nach Naturkatastrophen wie Erdbeben unterstĂŒtzen.
âWenn es viele Risse, LĂŒftungsöffnungen und SchĂ€chte gibt, ist es vorstellbar, einfach einen Schwarm dieser Roboter hineinzuwerfen, um Ăberlebende und sichere ZugĂ€nge fĂŒr Ersthelfer zu ortenâ, so Professor Robert Full, University of California, Berkeley, in einem Interview mit der britischen Zeitung Telegraph.
Wie ist die Idee zu diesem Design entstanden? Sie haben Stunden damit zugebracht, die Bewegungen echter Insekten zu beobachten und dabei bemerkt, dass diese sich auf eine minimale Körperhöhe von bis zu 2,5 mm platt drĂŒcken und gleichzeitig mit voller Geschwindigkeit laufen können. Zudem können sie einem Druck von bis zum 900-fachen ihres Körpergewichts standhalten.
Der Prototyp repliziert diese Biologie in Form eines gĂŒnstigen, handtellergroĂen Roboters, der seine Beine abspreizen kann und mit einem mehrlagigen KunststoffgehĂ€use ausgestattet ist.
Mithören von oben
Schon seit ĂŒber zehn Jahren werden Drohnen in Notfallsituationen eingesetzt. So auch bei den AufrĂ€umarbeiten nach den Erdbeben in Haiti (2010) und Nepal (2015). Diese Augen im Himmel eignen sich hervorragend fĂŒr eine visuelle Beurteilung des Katastrophengebiets, sie sind allerdings nicht in der Lage, Menschen oder mögliche Gefahren unter den TrĂŒmmern zu orten.
Auftritt (von oben) der âhörende Drohneâ.
Dieses inspirierende unbemannte Luftfahrzeug (UAV) wurde von einem japanischen Forscherteam als Teil des Regierungsprogramms ImPACT Tough Robotics Challenge entwickelt und bietet ein in der Drohnenwelt völlig neues Feature: es kann akustische Signale erkennen.
Dazu verfĂŒgt die âhörende Drohneâ neben den ĂŒblichen Lasern, Sensoren und Kameras auch ĂŒber ein Mikrofonarray (die Roboterohren) und ein Robotergehör (eine Schnittstelle zur Visualisierung der unsichtbaren Töne). Damit können verschĂŒttete Menschen schneller gefunden werden. Das ist besonders wichtig, da die Ăberlebenschancen nach den ersten 72 Stunden rapide sinken.
Walk-Man hat das GebÀude betreten
Warum Menschenleben riskieren, wenn Sie auch einen humanoiden Roboter in die Gefahrenzone schicken können? Wissenschaftler des Istituto Italiano di Tecnologia (IIT) in Genua, Italien, sind der gleichen Meinung. Sie haben den Walk-Man entwickelt, einen Roboter-Avatar, der auf einem Roboter aus der DARPA Robotics Challenge basiert und EinsatzkrĂ€fte unterstĂŒtzen soll.
Der Walk-Man ist ĂŒber 1,80 Meter groĂ und wiegt etwa 10 kg. Er ist mit 32 Motoren und Steuerplatinen, Kameras, einem 3D-Laser-Scanner und einem Mikrofon sowie chemischen Sensoren ausgestattet, mit deren Hilfe er seine Umgebung âsiehtâ und interpretiert. Durch sein geschicktes, leichtes Design kann er sich schnell bewegen und reagieren und selbst auf unebenem GelĂ€nde das Gleichgewicht halten.
Zudem ist er laut Ioannis Sarakoglou, Forschungsingenieur, IIT, unglaublich stark: âJedes Robotergelenk gleicht der Leistung eines 50-ccm-Rollermotorsâ (auf Euronews).
Bisher ist er in Testszenarien durch beschĂ€digte RĂ€ume gefahren, hat beschĂ€digte TĂŒren geöffnet, ein Gasleck gestoppt, TrĂŒmmer aus dem Weg gerĂ€umt und Feuer erkannt und gelöscht. Aktuell wird der Roboter noch per Fernbedienung von Menschen gesteuert, doch eines Tages könnte er oder eine Ă€hnliche Plattform auch selbstĂ€ndig TrĂŒmmer absuchen.
Suche in radioaktiven GewÀssern
Fukushima hat die ganze Welt erschĂŒttert. Nach dem Erdbeben und dem Tsunami in Japan 2011 sind radioaktive AbfĂ€lle in den Pazifik gelangt und zu einer Umweltkatastrophe gefĂŒhrt. Obwohl der Vorfall bereits sieben Jahren her ist, werden die AufrĂ€umarbeiten noch Jahrzehnte andauern. Im letzten Jahr kam es jedoch zu einem Durchbruch in der Form eines Fisches.
Manbo (âKleiner Sonnenfischâ) wurde von Kenji Matsuzaki und einem Team aus Ingenieuren von Toshiba und dem International Research Institute for Nuclear Decommissioning (IRID) entwickelt. Er wurde in dunklen, radioaktiven GewĂ€ssern eingesetzt, um nach ausgelaufenem geschmolzenem Uran-Kraftstoff zu suchen.
Sobald dieser nuklearfeste Roboter von der GröĂe eines Brotlaibs abgetaucht war, hat er eine Kombination aus Front- und RĂŒckkameras, Leuchten und Sensoren fĂŒr die Suche genutzt.
Er war erfolgreich, wo andere Roboter zuvor trotz erheblicher Investitionen gescheitert sind, und wurde im nahegelegenen Kontrollraum, von dem aus er ĂŒberwacht wurde, gebĂŒhrend gefeiert. Jetzt arbeiten Wissenschaftler an Ideen fĂŒr die nĂ€chste Generation von Robotern: Solche, die den Kraftstoff auch entfernen können.
Der Formwandler
Im Juli 2017 hat Science Robotics einen Artikel der Stanford University ĂŒber einen neuen Typ âSoftâ-Roboter veröffentlicht, der bei Such- und RettungsmaĂahmen eingesetzt werden könnte. Er erinnert an ein Tentakel, eine Schlange oder eine Kletterpflanze. Anders als bei den meisten Robotern ist das Design jedoch nicht von Tieren inspiriert, sondern vom Wurzelwachstum von Pflanzen und Pilzen.
Wie funktioniert das? Der Roboter â im Grunde eine dĂŒnne Kunststoffmembran mit Steuerkammern â wird mithilfe einer pneumatischen Pumpe mit Luft gefĂŒllt. Dabei wĂ€chst die Spitze auf eine LĂ€nge von bis zu 72 m. Der Roboter kann sich durch seine Umgebung schlĂ€ngeln und sich dabei so verformen, dass er durch Löcher passt.
Im Artikel heiĂt es, dass sich einer dieser Roboter âvon seiner Spitze bis zum Tausendfachen seiner ursprĂŒnglichen KörperlĂ€nge verlĂ€ngern kann, und das in einer Geschwindigkeit, die mit der von Tieren und Robotern vergleichbar istâ â etwa 35 km/h.
Ausgestattet mit Kameras und Sensoren kann er sich ohne menschliche Steuerung frei bewegen. Er kann sogar die Form von Werkzeugen wie Haken annehmen und so Objekte manipulieren. Durch den Druck im Inneren ist er stark genug, Objekte anzuheben, wÀhrend er wÀchst.
Von Kakerlaken-RoboterschwĂ€rmen bis hin zu Roboterfischen: Die Zukunft von Such- und RettungseinsĂ€tzen scheint in den HĂ€nden neuer Maschinen zu liegen. Sie arbeiten nicht nur schneller und effizienter, sie sorgen auch dafĂŒr, dass weniger Menschen ihr Leben riskieren mĂŒssen.
Aber auch wenn feststeht, dass diese Roboter die menschlichen RettungskrĂ€fte unterstĂŒtzen werden, werden Menschen vorerst weiterhin die Kontrolle ĂŒbernehmen und die EinsĂ€tze aus sicherer Entfernung steuern.
Wann immer die nĂ€chste Katastrophe eintritt, wird einer dieser Roboter vermutlich als erstes am UnglĂŒcksort eintreffen.