Revolution Pi im industriellen IoT: Ein Interview mit Nicolai Buchwitz von Kunbus

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Nicolai Buchwitz Product Owner für die Revolution Pi Produktfamilie bei KUNBUS Nicolai Buchwitz hat sein Hobby zum Beruf gemacht und ist seit Oktober 2021 Product Owner für die Revolution Pi Produktfamilie bei KUNBUS. Als langjähriger Anwender ist er mit den umfangreichen Möglichkeiten des RevPi bestens vertraut. In der Vergangenheit hat er viele Industrieprojekte mit dem Revolution Pi realisiert, wie z.B. die europäische Verfügbarkeitsüberwachung für H2-Tankstellen.

1. Wie ist KUNBUS in der IIoT-Branche engagiert?

Mit dem “Revolution Pi” haben wir Module für die Automatisierungstechnik auf der Basis des Raspberry Pi geschaffen. Diese modulare und Open-Source-Hardware-Plattform umfasst flexible, industrietaugliche und kostengünstige Geräte für die Umsetzung zahlreicher Automatisierungs- und IIoT-Projekte. Damit unterstützen wir unsere Kunden bei der Vernetzung ihrer Maschinen, Systeme und Anlagen. Mit unseren Geräten ist es möglich, Daten zu empfangen, zu speichern, zu verarbeiten und zu senden und die Produktivität und Rentabilität nachhaltig zu steigern.

2. Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselfaktoren, die diese Branche voranbringen?

Im Kontext von Industrie 4.0 und IIoT ändern sich die Anforderungen an die Steuerungsebene dramatisch. Zum einen steigt der Bedarf an dezentralen Steuerungen stark an, zum anderen werden nach und nach ganz andere Anwendungen in übergeordnete Netzwerke integriert. Dezentrale Lösungen werden immer wichtiger und erhöhen den Bedarf an kostengünstigen, skalierbaren und industrietauglichen Steuerungen sowie intelligenten Knotenpunkten, beispielsweise zur Anbindung von Geräten an eine Cloud. Freie Konnektivität ist eine Grundvoraussetzung für dezentrale Lösungen. Geschlossene Systeme bieten diese Zugänglichkeit nicht und verhindern schnelle und kostengünstige Lösungen für bestehende Systeme oder Steuerungen. Mit der Entwicklung des Revolution Pi haben wir der Forderung nach mehr Open Source berüchsichtigt. Sowohl die Hardware der Basis- und E/A-Module als auch die Software des Revolution Pi sind Open Source.

3. Was sind die konkreten Vorteile für die Nutzer des Revolution Pi?

Einerseits kann der RevPi sehr flexibel in vielen verschiedenen Anwendungen eingesetzt werden. Zum anderen liefern wir viele Erweiterungsmodule, wie analoge und digitale E/A-Module sowie Feldbus-Gateways. Auch der Nutzer profitiert, wie bereits betont, von der Offenheit des Systems. Er kann z. B. das mitgelieferte Betriebssystem (OS) verwenden oder ein eigenes System entwickeln und installieren – es kann nahezu jedes OS installiert werden, das auf einer ARM- oder Raspberry Pi-Basis läuft. Das mitgelieferte Betriebssystem basiert auf dem der Raspberry Pi Foundation. Wir unterstützen unsere Kunden auch dabei, ihre eigenen Anwendungen auf dem RevPi laufen zu lassen. So können Nutzer, die Rapid Prototyping auf einem klassischen Raspberry Pi betrieben haben, ihre Projekte sehr einfach auf den RevPi und damit in die Industrie übertragen.

Auch die Schaltpläne unserer Module sind auf unserer Homepage frei zugänglich. Wir versuchen auch, wichtige Patches bereits bei der Kompilierung des Betriebssystems zu integrieren. Darüber hinaus gibt es unser Community-Forum, in dem sowohl unsere Entwickler als auch unser Support mitlesen und Kunden bei der Entwicklung ihrer eigenen Lösungen helfen. Für Großabnehmer oder OEMs bieten wir an, während der Produktion ein individuelles Software-Image zu erstellen und das Äußere des Geräts an die eigene Corporate Identity anzupassen. Mit CODESYS als Software können unsere RevPi-Modelle sogar als SPS verwendet werden.

4. Welche Neuheiten können wir im Jahr 2022 erwarten?

Der Revolution Pi 4, der auf dem CM 4 der Raspberry Pi Foundation basiert, wird voraussichtlich Ende 2022 auf den Markt kommen. Die wichtigsten Neuerungen sind die leistungsfähigere CPU und der größere Arbeitsspeicher. Dies ist besonders für Edge-Computing-Anwendungen interessant. Der RevPi 4 wird in verschiedenen Versionen mit bis zu 8 GB RAM Speicher erhältlich sein. Wir werden auch die Möglichkeit von nativem WLAN sowie eine Gigabit Ethernet (GbE) Schnittstelle anbieten.

5. Gibt es eine bestimmte Zielgruppe, die Sie mit dem RevPi ansprechen?

Unsere Zielgruppe reicht von klassischen Automatisierungsunternehmen, die mit CODESYS eine Steuerung realisieren wollen, bis hin zu Anwendungsentwicklern, die beispielsweise einen Wasserstofftank oder Elektroladesäulen bauen. Darüber hinaus gibt es immer mehr klassische IT-Unternehmen, die ihre Software mit physischen Systemen verbinden müssen.

6. Was sind Ihrer Meinung nach derzeit die größten Herausforderungen bei der Arbeit in dieser Branche?

Im Bereich der Hardware-Entwicklung stellt die Zuteilung eine Herausforderung für uns dar. Bei neuen Versuchen und Konstruktionen sind wir daher immer auf aktuelle Lieferzeiten angewiesen. Selbst wenn wir uns während der Entwicklung auf einen Chip festlegen, können wir nicht immer garantieren, dass er zum Zeitpunkt der Produktion verfügbar sein wird.

Im Gegensatz dazu ist die Softwareentwicklung selten durch den Markt begrenzt. Hier verursacht die Einstellungssituation immer mehr Probleme. Seit Beginn der Pandemie hat sich der Arbeitsmarkt ein wenig verschoben, da immer mehr Unternehmen die Möglichkeit des Home Office anbieten. Das macht es für uns schwieriger, zu wachsen, weil wir jetzt in einem viel stärkeren Wettbewerb mit großen Unternehmen stehen.

7. Wie wurden Ihrer Meinung nach die Sicherheitsbedenken berücksichtigt?

Das umfassende Sicherheitskonzept ist für KUNBUS besonders wichtig, denn der RevPi soll möglichst flexibel und für eine Vielzahl von Anwendungen einsetzbar sein, ohne dass wir die jeweiligen Einsatzgebiete unserer Kunden im Detail kennen müssen. Unsere Kunden können zum Beispiel ihr eigenes Image für die Anwendungen entwickeln. Was die Software unserer kunden genau macht, können wir nur vermuten, aber wir wissen es nicht genau. In Bezug auf die Softwaresicherheit profitieren wir in hohem Maße von der Tatsache, dass unser Image auf dem beliebten Raspberry Pi OS basiert, wodurch sichergestellt wird, dass kritische Software-Updates so schnell wie möglich bereitgestellt werden.

8. Investitionen in IIoT-Lösungen können kostspielig sein, wenn sie nicht richtig gemacht werden. Welchen Grad an Unterstützung bieten Sie Ihren Kunden bei der Einführung Ihrer Lösungen?

Wenn Sie sich für Revolution Pi als Standard-Hardware entscheiden, können wir kundenspezifische Module herstellen. Unsere Kunden können sich auf ihr Kerngeschäft und ihre Kernkompetenzen konzentrieren und werden nicht durch zeitaufwändige Hardwareentwicklung abgelenkt. Ihre Lösung kommt schneller auf den Markt, ohne dass große Summen in die Hardwareentwicklung investiert werden müssen. Da die Markenkennzeichnung und -anpassung immer ein komplexes Thema ist, müssen die Details individuell mit unserem Verkaufsteam geklärt werden. Ein Team von interdisziplinären Fachleuten sorgt dafür, dass unsere Kunden bestmöglich betreut werden. Neben unserem Support-Team sind wir stolz auf unsere Revolution Pi Community-Foren, in denen Kunden und IoT-Experten ihre Erfahrungen und ihr Wissen austauschen.

9. Wo, denken Sie, wird in den nächsten paar Jahren der Fokus im IIoT liegen?

Unserer Meinung nach wird sich der Open-Source-Trend weiter ausbreiten. Klassische Softwareunternehmen suchen beispielsweise nach Plattformen, um ihre Anwendungen weg von Cloud-Architekturen hin zum Edge und näher zum Kunden zu bringen. Darüber hinaus breitet sich die Ethernet-basierte Feldbuskommunikation weiter aus, zum Beispiel OPC UA oder Cloud-Konnektivität. Hier arbeiten wir zum Beispiel erfolgreich mit Cloudrail zusammen, das auf Basis unserer Hardware Cloud-Konnektoren für verschiedene Plattformen wie Google oder AWS bereitstellt.

10. In der IoT-Branche gibt es viele Hersteller, die alle an verschiedenen Standards oder firmeneigene Spezifikationen arbeiten, was die Kommunikation untereinander erschwert. Wie offen sind Ihrer Meinung nach Ihre Lösungen in der Branche?

Wir haben die Grundidee des Raspberry Pi konsequent weitergeführt. Daher sind sowohl die Hardware der Basis- und I/O-Module als auch die Software des Revolution Pi Open Source. Gleichzeitig zeigt der Erfolg des Revolution Pi, dass sich das Risiko, ein Open-Source-Produkt auf den Automatisierungsmarkt zu bringen, gelohnt hat. Nicht nur die stetig steigende Nachfrage nach Revolution Pi, sondern auch die Tatsache, dass sich die großen Player der Automatisierungsbranche zunehmend für Open Source interessieren, bestärkt uns in der Überzeugung, dass wir in der Vergangenheit die richtige Entscheidung getroffen haben

11. Was ist das Besondere an Revolution Pi?

Das Alleinstellungsmerkmal des Revolution Pi sehen wir in der Kombination der folgenden Aspekte: Er basiert auf dem Raspberry Pi und seiner Community mit all seinen Anwendungslösungen, Kunden können auch ihre eigenen Betriebssysteme verwenden, als Open-Source-Gerät wird sein Schaltplankonzept auf Github veröffentlicht und er ist völlig unabhängig von Herstellern und deren Spezifikationen. Mit anderen Worten: Revolution Pi ist das genaue Gegenteil von proprietär.

12. Wie unterstützen Sie die Steigerung der Produktivität durch Echtzeit-Daten?

Der Revolution Pi eignet sich für fast alle Anwendungen außer der Bewegungssteuerung mit extrem kurzen Zykluszeiten. Die Flexibilität eines Open-Source-Gerätes erlaubt es dem Kunden, die Software seiner Wahl einzusetzen.

13. Stichwort Nachhaltigkeit: Inwieweit achten Sie bei der Entwicklung auf nachhaltige Komponenten und Prozesse?

Wir verwenden ausschließlich RoHS-konforme Komponenten. Wir versuchen auch, unsere Produkte so langlebig wie möglich zu machen. Dies ist sowohl aus ökologischer Sicht sinnvoll als auch für die Betriebssicherheit in der Industrie wichtig. Beispielsweise, können unsere ersten RevPi-Geräte noch mit der neuesten Software ausgestattet werden. Durch unsere Modularität können auch einzelne Komponenten erneuert werden: Zum Beispiel bei unseren Basisgeräten, dem Revolution Pi Core oder dem Connect, den Grundplatinen. Unsere E/As sind ebenfalls modular aufgebaut und können bei Bedarf ausgetauscht werden, oder in manchen Fällen können einzelne Komponenten ersetzt werden. Außerdem entwickeln und produzieren wir komplett in Deutschland.

Nicht modulare Module Kompakt und flach. Quelle: Kunbus
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