Sprechen wir über den Brexit – neue Compliance-Regeln

Der Brexit ist derzeit ein wichtiges Thema: Jedes Unternehmen oder jeder Hersteller von Waren, ob in der EU oder im Vereinigten Königreich ansässig, möchte wissen, wie der britische EU-Austritt sich auf sie auswirken wird. Das Vereinigte Königreich hat die EU offiziell am 31. Januar 2020 verlassen. Zu diesem Zeitpunkt wurde ein Austrittsabkommen mit einem Übergangszeitraum geschlossen, wodurch das EU-Recht im Vereinigten Königreich noch bis zum 31. Dezember 2020 gilt. Nach diesem Zeitraum werden die EU-Verträge, die EU-Freizügigkeitsrechte und die allgemeinen Richtlinien des EU-Rechts für das Vereinigte Königreich nicht mehr gelten. 

Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick darüber, wie sich der Brexit auf die Gesetze und Vorschriften zur Produkt-Compliance und -Haftung auswirken könnte, wenn Produkte auf dem britischen Markt verkauft werden und umgekehrt in der EU. Die aktuelle Gesetzgebung in der EU setzt einen hohen Standard für Produktsicherheit, Umwelt- und andere regulatorische Anforderungen, die für eine breite Palette von Produkten wie elektrische Geräte, medizinische Geräte, Maschinen, Spielzeug usw. gelten. Änderungen an dieser Gesetzgebung werden letztlich den freien Warenverkehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU verändern. Dadurch kann es zu Einschränkungen und Behinderungen kommen.

Was ist der Brexit?


Brexit ist eine Kombination der Wörter „British“ und „Exit“ und bezieht sich auf die Entscheidung des Vereinigten Königreichs per Referendum am 23. Juni 2016, die Europäische Union zum 31. Januar 2020 zu verlassen. Das Vereinigte Königreich war seit 1973 Teil der Europäischen Union und zeigte sich als Mitglied, das sich insbesondere für den Abbau von Handelsbeschränkungen zwischen den Mitgliedsstaaten einsetzte. Seither war das Land ein integraler Bestandteil der EU, die ihren wirtschaftlichen Status in der Welt durchsetzte und gleichzeitig die weniger stabilen Länder um sie herum unterstützte.

Im Jahr 2016 beschloss die britische Regierung, ein Referendum abzuhalten und damit die Bürgerinnen und Bürger entscheiden zu lassen, ob das Vereinigte Königreich weiterhin Mitglied der EU sein sollte. Über 33 Millionen Menschen entschieden über die Zukunft des Vereinigten Königreichs – und die endgültige Entscheidung lautete, die EU zu verlassen. Der damalige britische Premierminister erklärte dazu:

Der Wille des britischen Volkes ist eine Anweisung, die umgesetzt werden muss. Es war keine Entscheidung, die leichtfertig getroffen wurde, nicht zuletzt, weil so viele Dinge von so vielen verschiedenen Organisationen über die Bedeutung dieser Entscheidung gesagt wurden.

David Cameron, britischer Premierminister 2010–2016

Das Abstimmungsergebnis widersprach den Vorhersagen und erschütterte die globalen Aktienmärkte, wodurch das britische Pfund auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren fiel. Der Prozess des Austritts aus der EU wird durch die Berufung auf Artikel 50 des Lissabon-Vertrags eingeleitet. Dieser wurde offiziell am 29. März 2017 ausgelöst. Von diesem Zeitpunkt an hatte das Vereinigte Königreich 2 Jahre Zeit, um eine neue Beziehung zur EU zu vereinbaren und auszuhandeln. Diese Frist wurde aufgrund von gescheiterten Verhandlungen sowie Veränderungen im britischen Parlament mehrmals verlängert.

Am 31. Dezember 2020 verließ das Vereinigte Königreich die Union mit einem Folgeabkommen, das zwischen dem britischen Premierminister Boris Johnson und der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vereinbart wurde.

Im Rahmen des Austrittsgesetzes im Vereinigten Königreich müssen die zuständigen Ministerinnen und Minister die Gesetze zur Umsetzung von EU-Richtlinien im Vereinigten Königreich ändern, um sicherzustellen, dass diese Gesetze nach dem Brexit kohärent und wirksam bleiben. Somit wird das Vereinigte Königreich sein eigenes System zur konformitätsbewerteten Kennzeichnung aufbauen müssen.

Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die Compliance von Produkten mit Blick auf Gesundheit und Sicherheit?


Vor dem Brexit hatte das Vereinigte Königreich als Teil der EU eine vorgeschriebene Konformitätskennzeichnung zur Regulierung von Waren, die innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verkauft wurden, genannt Conformité Européenne, auch bekannt als CE-Kennzeichnung und sehr ähnlich der FCC in den USA. Diese Richtlinie gilt nicht nur für Waren, die innerhalb des EWR hergestellt werden, sondern auch für solche, die innerhalb des EWR verkauft werden. Das macht die CE-Kennzeichnung auf der ganzen Welt bekannt und erkennbar.

Die CE-Kennzeichnung bietet keine wirklich nützlichen Informationen für den Endnutzer eines Produkts und sollte nicht als Qualitätssicherungserklärung verwendet werden; sie weist auch nicht auf eine Prüfung durch Dritte hin. Das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung zeigt lediglich an, dass die entsprechende technische Dokumentation, die die Verwendung der CE-Kennzeichnung unterstützt, auf Anfrage des Herstellers oder der Person, die für das Inverkehrbringen des Produkts im EWR verantwortlich ist, verfügbar ist.

Die größten Änderungen für die britischen Produkt-Compliance-Regelungen sind folgende:

  • Die aktuelle CE-Kennzeichnung wird im Vereinigten Königreich ab dem 1. Januar 2022 nicht mehr gelten. Dafür wird das Kennzeichnungssystem UKCA (UK Conformity Assessed) die neue britische Produktkennzeichnung sein, die für Produkte verwendet wird, die auf dem britischen Markt verkauft werden und bisher eine CE-Kennzeichnung benötigten. Im Moment folgt das UKCA-System den gleichen Richtlinien wie die CE-Kennzeichnung, aber mit Sicherheits- und Konformitätsstandards, die nun ausschließlich im Vereinigten Königreich gültig sind. Bestimmte Produkte, die möglicherweise lediglich eine Selbstzertifizierung mit UKCA und CE-Gesetzen benötigen, können für eine kurze Zeit nach dem Übergangszeitraum im Vereinigten Königreich verkauft werden, wenn sie die CE-Kennzeichnung erfüllen.
  • Produkte, die im Vereinigten Königreich verkauft werden sollen und für die eine verpflichtende Bewertung durch eine benannte externe Stelle erforderlich ist, wie beispielsweise Medizinprodukte, müssen sofort nach Abschluss der IP mit der UKCA-Kennzeichnung versehen werden, wenn eine britische Stelle die Bewertung durchgeführt hat. Wenn eine EU-Stelle die Bewertung durchgeführt hat, dann muss das Produkt mit einer CE-Kennzeichnung versehen werden und kann somit auch im Vereinigten Königreich auf den Markt gebracht werden – solange die CE-Kennzeichnung akzeptiert wird. Dies wird nach aktuellem Stand bis zum 31. Dezember 2021 der Fall sein.
  • Die neue UKCA-Kennzeichnung wird in der EU zu keinem Zeitpunkt anerkannt werden. Sie kann jedoch neben der CE-Kennzeichnung und anderen Kennzeichnungen aufgelistet werden. Daher müssen alle Produkte, die eine CE-Kennzeichnung benötigen und vom Vereinigten Königreich in die EU exportiert werden, in jedem Fall die EU-Produktnormen erfüllen und die CE-Kennzeichnung sowie die UKCA-Kennzeichnung aufweisen. Es gibt absolut keine Einschränkungen für Produkte, die mehrere Kennzeichnungen aufweisen, solange sie den jeweiligen Normen entsprechen.
  • Im Vereinigten Königreich ansässige benannte Stellen, die derzeit mit der Konformitätsbewertung von Produkten beauftragt sind, die vor ihrer Markteinführung in der EU eine CE-Kennzeichnung benötigen, werden nach dem Übergangszeitraum nicht mehr in der EU tätig sein. Die von ihnen durchgeführten Konformitätsbewertungen werden dann in der EU nicht mehr gültig sein, einschließlich derjenigen, die vor dem Ende des Übergangszeitraums durchgeführt wurden. Unternehmen, deren Produkte derzeit auf Konformitätsbewertungen durch Dritte im Vereinigten Königreich angewiesen sind, müssen neue Bewertungen durch in der EU ansässige Stellen durchführen lassen, um die kontinuierliche Compliance zu gewährleisten.
  • Weiter ist zu beachten, dass der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU auch Auswirkungen auf die Lieferkette haben wird. Dies ist wichtig, da nach den EU-Vorschriften und den neuen britischen Vorschriften jeder Marktteilnehmer unterschiedlichen regulatorischen Verpflichtungen unterliegen wird – unabhängig davon, ob er der Hersteller, Importeur oder Händler ist. Wenn der Hersteller aus dem Vereinigten Königreich in die EU exportiert, würde das Empfängerland als Importeur betrachtet werden. Die Verpflichtungen eines Importeurs sind weitaus schwerwiegender als die eines Händlers; der Importeur ist dafür verantwortlich, dass die eingeführten Produkte den EU-Vorschriften entsprechen. Dies gilt ebenso für EU-Exporte ins Vereinigte Königreich: Die verschiedenen Importeure und Händler müssen sich ihren Verpflichtungen nach dem Brexit voll bewusst sein.

Aktuell sind die Unterschiede lediglich verwaltungstechnischer Natur, da das Vereinigte Königreich und die EU zwar unterschiedliche Systeme anbieten, sich dabei aber durchweg auf dieselben Gesundheits- und Sicherheitsstandards stützen. Für Unternehmen, die hoffen, Produkte sowohl auf dem britischen als auch auf dem EU-Markt zu verkaufen, müssen beide Systeme für eine einfache Integration eng aufeinander abgestimmt sein; andernfalls könnte dies eine verwirrende und finanzielle Belastung darstellen.

Fazit 


Unternehmen sollten sich über die Vorschriften und neuen Standards im Klaren sein, die nach 2021, wenn der Übergangszeitraum endet, in Kraft treten werden. Die Brexit-Verhandlungen endeten kurz vor dem 31. Dezember 2020 und es könnte noch Anpassungen an den Vorschriften geben. Es wird empfohlen, gegebenenfalls juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nun bleibt zu hoffen, dass die Übergangszeit reibungslos verläuft und Unternehmen ihre Waren sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der EU ohne Probleme anbieten können. Die größte Herausforderung wird die vollständige Transparenz der Richtlinien sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass Hersteller, Importeure oder Händler sich über ihre jeweilige Rolle und die Anforderungen an sie innerhalb der Lieferkette bewusst sind.

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