Wie Unternehmen in Europa nach dem Coronavirus wieder auf die Beine kommen

Wie kommt Ihr Unternehmen erfolgreich aus der Covid-19-Krise heraus? Es gibt weder allgemeingültige Strategien noch ein vergleichbares Vorbild, und deshalb ist die hier vorgenommene Betrachtung der Vorgehensweisen in verschiedenen Ländern und Branchen nützlich. Vielleicht fällt die eine oder andere Idee zur Gestaltung der eigenen Zukunft ab. Das Globale Krisenzentrum von PWC geht davon aus, dass Krisen immer in drei Phasen ablaufen: kurzfristige Mobilisierung, mittelfristige Stabilisierung und langfristige Transformationsprozesse.

Um den aktuellen Abschwung zu meistern, müssen Unternehmen die derzeitigen Erschwernisse in eine positive, auf die Zukunft gerichtete Strategie umsetzen.

Die 4 Schritte zur Bewahrung der Wettbewerbsfähigkeit

Soweit es noch kein Vorbild für die Überwindung einer spezifischen Ausnahmesituation gibt, stehen dem Unternehmen keine erprobten Instrumente zur Krisenbewältigung zur Verfügung. Gleichwohl ist die Fortsetzung des Geschäftsbetriebes auch unter den Erschwernissen der Pandemie unerlässlich.

  1. Vorbereitung auf die konjunkturelle Wiederbelebung. Wenngleich der Einschnitt in die Geschäftstätigkeit durch Covid-19 teils massiv ist, wird es ein “”Danach”” geben. Jeder Unternehmer tut also gut daran, die Corona-Zeit zu nutzen, um für den Start in den Aufschwung nach dem Abflauen der Pandemie gut vorbereitet zu sein.
  2. Prozess-Optimierungen jetzt durchführen. Zu Zeiten der Hochkonjunktur greift niemand in ein laufendes System ein. Jetzt aber, bei geringerer Auslastung, ist die Gelegenheit um effizienzsteigende Maßnahmen umzusetzen. Das ist eine Investition in die Zukunft. Oder betreiben Sie Sortimentspflege oder intensivieren Sie Ihre persönlichen Kundenkontakte – erobern Sie die ‘Pool Position’ gegenüber Ihren Wettbewerbern.
  3. Stellen Sie sich auf die neuen Marktumstände ein und positionieren Sie sich richtig. Führen Sie Produkte und Dienstleistungen entsprechend der Kundennachfrage ein, erhöhen Sie den Lagerbestand falls erforderlich und evaluieren Sie neue, zukunftsweisende Liefermodelle.
  4. Erarbeitung von Notfallplänen, um auf Ausnahmesituationen vorbereitet zu sein. Investitionen in moderne Systeme der Supply Chain, um alle Prozesse in Echtzeit abwickeln und kontrolieren zu können. Durch den Einsatz digitaler Technologien werden Unternehmen auch in der Lage sein, das Verhalten und die Präferenzen der Kunden besser zu verstehen.

Während der Coronavirus-Pandemie mussten die Industriebetriebe bestimmter Branchen ihre Produktion erheblich steigern. Beispielsweise stieg die Nachfrage nach persönlicher Schutzausrüstung (PSA) immens. Nach der Krise sollten diese Unternehmen auf diesem Vertrauen aufbauen und die Chancen nutzen, die sich aus veränderten Märkten und Verhaltensänderungen ergeben.

Wie erholen sich Unternehmen in ganz Europa?

Je nach Land, Region und Branche ist eine schrittweise Erholung der Corona-bedingten Einschränkungen im Gange. Von Normalität kann vielerorts noch nicht die Rede sein, aber es ist geboten, sich auf eine annähernde Normalität vorzubereiten.

1. Abstandsgebote und Schutzausrüstung

Die Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung des Geschäftsbetriebs unter Corona-Bedingungen setzt ein Hygienekonzept voraus, das im Wesentlichen auf der Einhaltung des Abstandsgebotes und wirksamer Handhygiene beruht.

Das Abstandsgebot am Arbeitsplatz kann dadurch umgesetzt werden, dass Laufwege reglementiert werden, die Verteilung der Arbeitsplätze reorganisiert wird oder indem physische Barrieren eingesetzt werden. Im Zwickauer VW-Werk werden Schilder und Markierungen verwendet und sogar die Kantine geschlossen. Im Volvo-Werk Torsland in Schweden wurden Absperrungen in den Ruhebereichen installiert, und im Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder wurde den Mitarbeitern jeder Schicht ein Farbcode zugeordnet. Dieser Farbcode findet sich auch an den Ein- und Ausgängen, so dass ein physischer Kontakt – und damit die Gefahr der Ansteckung – beim Schichtwechsel von vorn herein ausgeschlossen ist.2. Medizinische Tests

Ergänzend zur Organisation des Abstandsgebotes und der Hygieneregeln gibt es verschiedene Möglichkeiten, die körperliche Fitness der Mitarbeiter zu prüfen, sofern die jeweiligen Landesgesetze dies zulassen.

In der Slowakei und der Tschechischen Republik wenden Kia und Hyundai Temperaturmessungen der Stirn an, um Verdachtsfälle beim Betreten des Firmengeländes herauszufiltern. Dazu werden Wärmebildkameras oder IR-Thermometer eingesetzt. Ähnlich verfährt Fiat. Volvo bietet optionale Pulsoxymeter-Tests an, um die Sauerstoffmenge im Blut zu messen. Einige Unternehmen setzen auch Apps ein, um die Gesundheit des Personals als Teil eines umfassenderen Testprogramms zu überwachen. Ferrari hat zum Beispiel eine interne App, um Benutzer zu informieren, wenn sie mit einem infizierten Kollegen in Kontakt gekommen sind.Optionale medizinische Tests dieser Art sind nicht immer eine perfekte Lösung, aber sie können im Einzelfall zur Eingrenzung des Infektionsgeschehens geeignet sein, sofern die gesetzlichen und kulturellen Voraussetzungen dem Einsatz solcher Mittel nicht entgegenstehen.

3.  Sicheres Arbeitsumfeld

Im Übrigen ist durch entsprechende Arbeitsanweisungen sicherzustellen, dass die Mitarbeiter Vertrauen in die getroffenen Maßnahmen haben. Der französische Autohersteller Groupe PSA hat alle Türen in seiner Fabrik geöffnet, damit die Mitarbeiter nicht unnötig Türklinken berühren müssen. Zu den weiteren Sicherheitsmaßnahmen, die umgesetzt wurden, gehören Spülbecken mit Kniebedienung und Maschinen mit Knopfbedienung bei Toyota und tragbare Spülbecken mit berührungslosen Wasserhähnen bei Ford. Wo kein fließendes Wasser und Seife zum Händewaschen verfügbar ist, stehen Desinfektionsmittelspender auf Alkoholbasis bereit.

Wir müssen realistisch sein: Zu Beginn werden die neuen Verfahren bei unseren Kollegen Fragen und Vorbehalte auslösen. Wir haben noch nie zuvor Fahrzeuge unter diesen Bedingungen entwickelt, produziert und verkauft … Die Zeit für die Beantwortung von Fragen ist jetzt wichtiger als die täglichen Produktionszahlen.

Bernd Osterloh, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates bei VW

Einige Unternehmen wurden daraufhin untersucht, ob sie nur langsam handeln oder ob sie ihren Mitarbeitern keine angemessene PSA zur Verfügung stellen. Bei Befolgung der Corona-Arbeitsanweisungen ist sichergestellt, dass die Risiken minimiert sind und dass die Arbeitsfähigkeit des Unternehmens gewährleistet ist.

4. Sicherung der Lieferkette

Heutige Produktionsprozesse sind teils von ‘just in time’-Lieferketten abhängig, die obendrein international organisiert sind. Aufgrund der vielen Zuliefer-Beziehungen kann sich das Problem ergeben, dass die Corona-bedingte Nicht-Verfügbarkeit einer Schlüsselkomponente zur Blockade einer ganzen Produktionslinie führt. Die permanente Überwachung aller Bestellungen und der Liefersituation in den Herkunftsländern ist evident, um die Zuverlässigkeit der Lieferkette zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere in der gegenwärtigen Krise.

5. Personalmanagement

Wenngleich geringere Absatzzahlen auf die Ertragslage drücken, ist es doch essenziell, die qualifizierten Mitarbeiter nicht zu verlieren. In der DACH-Region ist das Instrument der Kurzarbeit ein wirksames Instrument, um auch lange Durststrecken ohne Entlassungen zu überstehen. Die Kalkulation ist einfach: es ist viel teurer, beim Wiederanziehen der Konjunktur Neueinstellungen vorzunehmen, als die vorhandenen Fachkräfte durch die Krise zu bringen. Ganz abgesehen davon, dass der Arbeitsmarkt leergefegt sein könnte und man dann einen Personalmangel zu beklagen hat. Diese Überlegungen werden insbesondere für jene Unternehmen wichtig, die in einer Region zu Hause sind, wo die Rekrutierung von Fachkräften ohnehin problematisch ist, also z.B. im entlegenen ländlichen Raum.

Die aktuelle Wirtschaftskrise aufgrund Covid-19 dürfte eine Herausforderung ohne Vorbild sein. Denn selbst die Bankenkrise 2008 hatte nicht dieses Ausmaß auf die hiesige Wirtschaft und die globalen Handelsverflechtungen. Deshalb ist es zweifellos sehr schwer, durch die aktuellen unternehmerischen Schwierigkeiten zu manövrieren, denn im Gegensatz zu üblichen Konjunkturzyklen ist die Dauer der Krise noch ungewiss.

Wir arbeiten mit Organisationen wie der CBI (Confederation of British Industry) zusammen, aber wenn es andere Organisationen gibt, die daran interessiert sind, aus unserer Arbeit zu lernen und vielleicht ihre besten Praktiken mit uns zu teilen, würden wir gerne mit ihnen kooperieren und zusammenarbeiten.

Tim Freeman, stellvertretender Geschäftsführer von Toyota Manufacturing in Großbritannien
Total
0
Shares
Vorheriger Beitrag

Automatisierung und Robotik gibt dem Wiederaufschwung zusätzliche Impulse

Nächster Beitrag

4 Strategien, die jetzt implementiert werden müssen, um sicherzustellen, dass Ihr Unternehmen nach der Coronavirus-Krise stabil bleibt.

Verwandte Beiträge