Industrie 5.0: Der nächste Schritt für die industrielle Produktion?

Avatar-Foto

Mit der Industrie 5.0 steht die nächste Stufe der industriellen Revolution an. Mit einem größeren Fokus auf den Menschen, mit nachhaltigeren Mitteln und resilienteren Systemen soll sie das „Upgrade“ zur Industrie 4.0 sein. Aber wie konkret ist die Vision vom Paradigmenwechsel in der industriellen Produktion schon?

Was bedeutet „Industrie 5.0“?

Im April 2021 feierte der Begriff „Industrie 4.0“ seinen zehnten Geburtstag und mit ihm die Vorstellung einer smarten, digitalen und vernetzten industriellen Produktion. Big Data, Data Analytics und Automation gehörten in den vergangenen zehn Jahren zu den bestimmenden Themen, wenn es um die Voraussetzungen, Mittel und Möglichkeiten der digitalen Transformation der Industrie ging.

Jetzt steht mit der „Industrie 5.0“ womöglich bereits der nächste Schritt der Entwicklung an. Noch vor dem Jubiläum der Industrie 4.0 war der neue Begriff bereits im Umlauf, die ersten Beiträge zum Thema gab es schon 2016, als der Wandel zur Smart Industry in der Version 4.0 noch in vollem Gange war.

Die Industrie steht vor einem Paradigmenwechsel

Laut der Europäischen Kommission bedeutet Industrie 5.0 jedoch nicht weniger als einen Paradigmenwechsel im Vergleich zur Industrie 4.0. Das Whitepaper „Industry 5.0 -Towards a sustainable, human-centric and resilient European Industry” betont diesen Aspekt, weil der neue Begriff keineswegs für eine zeitliche Kontinuität stehen soll. Er soll auch keine Alternative zum aktuellen Status quo der Industrie sein, sondern umschreibt vielmehr eine neue Ausrichtung des technologischen Fortschritts.

Die zentrale Frage dreht sich daher darum, wie Technologien in Zukunft stärker mit Gesellschaft und Umwelt verknüpft werden können. Die EU-Kommission sieht in der bisherigen Entwicklung der Industrie 4.0 eine zunehmende Distanzierung von der ursprünglichen Idee – weg von den Prinzipien sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI), mit denen die Effizienz und die Flexibilität der Produktion gesteigert werden sollen.

Der beschriebene Paradigmenwechsel lässt sich – stark verkürzt – auf ein Gegensatzpaar herunterbrechen: technologie-zentriert contra mensch-zentriert.

It is the result of a forward-looking exercise, a way of framing how European industry and emerging societal trends and needs will co-exist.

Industry 5.0 – Towards a sustainable, human-centric and resilient European Industry

Warum es die Neuausrichtung der Industrie 4.0 braucht

Hinter allen Konzepten, die für die Industrie 4.0 und die Entwicklung von Smart Factories charakteristisch sind, steht letztlich das Bemühen um effizientere Prozesse. Cyberphysical Systems (CPS), KI, Big Data, Vernetzung und das Industrial Internet of Things ermöglichen Automatisierungen und Optimierungen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette.

Deshalb sind sowohl die Idee der Industrie 4.0 als auch die damit verbundenen Innovationen inzwischen fest etabliert. Denn mehr Effizienz bedeutet letztendlich höhere Umsätze, unabhängig von der Unternehmensgröße. Dass die Investitionskosten und der Fachkräftemangel in vielen Branchen und Betrieben eine breitere Nutzung von Industrie 4.0-Technologien noch hemmen, ändert nichts an den Potenzialen und bereits erreichten Erfolgen.

Auf der anderen Seite steht immer wieder die Frage nach den Auswirkungen dieser Transformation auf die Menschen im Raum: Welchen Platz haben sie in einer Industrie, in der eine Vielzahl der Aufgaben automatisiert und von Maschinen abgearbeitet wird?

Viele Tätigkeiten fallen dadurch weg. Allein in Deutschland könnten bis 2025 fast 8 Millionen Stellen betroffen sein, so eine Prognose der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2017. Darunter liegt der Anteil der Fachkräfte bei über 60 Prozent – es sind also nicht nur die geringqualifizierten Arbeiten, die substituiert werden. In den fertigungstechnischen Berufen schätzte die Studie einen Rückgang um rund 1,3 Millionen Arbeitsplätzen.

Innerhalb der Industrie 5.0 soll deshalb der Mensch wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden. Die digitale Transformation der Industrie wird damit stärker an gesellschaftliche Entwicklungen gekoppelt.

Photo of automobile production line. Welding car body. Modern car assembly plant. Auto industry.

Die Kernelemente der Industrie 5.0

Das Konzept der Industrie 5.0, wie es die EU-Kommission ausführlich in ihrem Whitepaper darlegt, stellt keine Zäsur dar. Das wird spätestens dann deutlich, wenn es um die Kernelemente geht. Diese drehen sich um drei zentrale Themen: die bereits angesprochene Mensch-Zentrierung, mehr Nachhaltigkeit und höhere Resilienz. Insofern unterscheidet sich das neue Paradigma nicht zu stark von den Prämissen, die im Zuge der Verwirklichung der Industrie 4.0 von Bedeutung waren – und nach wie vor sind.

Industrie 5.0 trifft Gesellschaft 5.0

Die Idee der EU-Kommission von einer neuen Industrie ist eng verknüpft mit der Vorstellung einer neuen Gesellschaft. In ihrem Paper verweisen die beteiligten Experten auf das in Japan geprägte Konzept der „Society 5.0“.

Dieses zielt darauf ab, ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und der Lösung wichtiger gesellschaftlicher und ökologischer Probleme zu schaffen. Dabei spielen genau die Technologien eine Rolle, die unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ bislang vornehmlich auf den ökonomischen Sektor bezogen werden.

Society 5.0 is a society in which advanced IT technologies, Internet of Things, robots, artificial intelligence and augmented reality are actively used in every day life, industry, healthcare and other spheres of activity, not primarily for economic advantage but for the benefit and convenience of each citizen.

Industry 5.0 – Towards a sustainable, human-centric and resilient European Industry

Das Internet of Things, Roboter, KI, Augmented Reality und ähnliche technologische Mittel sollen in Zukunft noch stärker im alltäglichen Leben für Verbesserungen sorgen. An diese Verbindung von Industrie, Ökologie und Gesellschaft durch die Technologie knüpft die Industrie 5.0 an und entwickelt daraus die wesentlichen Merkmale.

Kernelement #1: Menschzentrierung

Der wichtigste Unterschied im Vergleich zur Industrie 4.0 liegt darin, wie das Verhältnis von Mensch und Maschine im Produktionsprozess betrachtet wird. Der Ansatz geht weg von der Frage „was ist mit Hilfe von Technologie möglich?“, die für die Entwicklungen in der Industrie 4.0 nach wie vor bestimmend ist.

Ersetzen statt kooperieren

Dabei geht es unter anderem um das oben beschriebene Dilemma – nämlich um Tätigkeiten, die durch die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung obsolet werden:

  • Der verbreitete Lösungsansatz besteht darin, die Fähigkeiten der Mitarbeiter an die Anforderungen der sich ständig weiterentwickelnden Technologie anzupassen. Fort- und Weiterbildungen sollen das notwendige Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten vermitteln.
  • In der Industrie 5.0 dreht sich der Blickwinkel, so dass Technologien stärker zur Ergänzung der menschlichen Arbeit eingesetzt werden.
  • Wichtig sind in diesem Zusammenhang weitere soziale Kenngrößen innerhalb der Produktionsprozesse. Dazu gehören unterschiedliche Bereiche wie Arbeitssicherheit, ergonomische Arbeitsbedingungen, abwechslungsreiche und kognitiv ansprechende Tätigkeiten.

Eine Möglichkeit, wie dieses neue Paradigma umgesetzt und Technologien besser auf die Nutzer abgestimmt werden können, zeigt der „Factory2Fit“-Ansatz. Das Projekt wurde im Rahmen des Horizon 2020-Forschungs- und Innovationsprogramms gefördert.

Arbeitsumgebungen und Technologien, die sich an den Menschen anpassen

Ziel war es, Lösungen für flexible und anpassungsfähige Arbeitsumgebungen zu finden, in denen Fertigungsarbeiter mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen motiviert ihrer Arbeit nachgehen können. Dazu sollten sie auch größeren Einfluss bei der Gestaltung der Produktionsprozesse erhalten:

  • Das Projekt arbeitete mit einer virtuellen Fabrik, in der verschiedene Ideen zusammen mit den Arbeitern getestet und weiterentwickelt werden konnten.
  • Ein sogenanntes „Worker Feedback Dashboard“ wurde eingerichtet, über das persönliche Rückmeldungen bezüglich Leistung und Wohlbefinden abgegeben werden konnten.

Die Ergebnisse des Projekts zeigten, dass sich eine solche Stärkung positiv auswirken kann – sowohl auf die Produktivität als auch auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter.

Neue Rollenverteilungen im Produktionsprozess

Einen anderen Ansatz für eine bessere Mensch-Maschine-Kooperation, die den Menschen in den Fokus stellt, verfolgt die Idee des „Operator 4.0“, die 2016 entwickelt wurde. Sie basiert darauf, die Fähigkeiten der Mitarbeiter durch technologische Mittel zu erweitern, anstatt sie durch Roboter zu ersetzen.

Daraus ist eine Typologie mit acht unterschiedlichen „Operatoren“ entstanden, die in Zukunft in der industriellen Produktion von Bedeutung sein könnten:

  • der „Super-Strength Operator“, der mit Hilfe eines Exoskeletts unter anderem seine Körperkraft erhöhen kann;
  • der „Augmented Operator“, der mit Augmented Reality-Geräten arbeitet;
  • der „Virtual Operator“, der für seine Tätigkeiten Virtual Reality nutzt;
  • der „Healthy Operator“, der Wearables zur Überwachung des körperlichen Zustands nutzt;
  • der „Smart Operator“, der mit einem intelligenten persönlichen Assistenten zusammenarbeitet;
  • der „Collaborative Operator“, der zur Unterstützung über einen kollaborativen Roboter verfügt;
  • der „Social Operator“, dessen Arbeitsschwerpunkt in den sozialen Netzwerken liegt, sowie
  • der „Analytic Operator“, der für die Big Data Analytics zuständig ist.

Eine solche Typologie kann dabei helfen, neue Rollen für die Mitarbeiter zu finden, die sie durch technologische Unterstützung in verschiedenen Bereichen des Produktionsprozesses einnehmen können. Die technischen Voraussetzungen sind in den meisten Fällen bereits verfügbar, etwa Augmented Reality-Devices für die Problemanalyse.

Technologien für den Menschen

Die Prämisse „Technologien, die sich an den Menschen anpassen“ macht das Paper der EU-Kommission auch zur Grundlage, um Lösungen für den Fachkräftemangel zu finden. Tatsächlich geht der Ansatz sogar darüber hinaus. Er zielt generell auf Fähigkeiten, die es in der Industrie 5.0 braucht.

Das betrifft eben nicht allein die Fachkräfte-Ebene, sondern schließt die allgemeinen digitalen Fähigkeiten mit ein. Das scheint aus verschiedenen Gründen sinnvoll:

  • Der technologische Fortschritt und seine Geschwindigkeit verlangen derzeit, dass Industriearbeiter ihr Wissen und ihre Fähigkeiten ständig erneuern und erweitern müssen. Das ist eine zusätzliche Herausforderung, vor allem vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft.
  • Auch unter jungen Menschen besteht Studien zufolge große Unsicherheit, ob ihre digitalen Fähigkeiten für die Anforderungen des heutigen und zukünftigen Arbeitsmarktes ausreichend sind.

In beiden Fällen könnten intuitivere, nutzerfreundlichere Technologien entsprechende Lösungen anbieten. Verschiedene Horizon 2020-Projekte der EU haben sich in diesem Zusammenhang mit Möglichkeiten befasst, die Entwicklung der Technologie und dazugehörige Training miteinander zu verbinden. Auf diese Weise lassen sich Fähigkeiten und Technik besser aneinander anpassen.

Die Notwendigkeit der Weiterbildung wird allerdings auch in der Industrie 5.0 bestehen bleiben. Unternehmen sollten daher darauf setzen, besonders wichtige digitale Skills bei ihren Mitarbeitern zu fördern.

Die wichtigsten dieser Skills hat das World Manufacturing Forum zusammengetragen:

  1. „Digital Literacy“: Damit wird die grundsätzliche Fähigkeit beschrieben, mit digitalen Systemen, Technologien, Applikationen und Werkzeugen arbeiten und diese verstehen zu können.
  2. „AI & Data Analytics“: Hierbei geht es vor allem darum, KI und Datenanalysen zu nutzen und zu gestalten sowie die Ergebnisse kritisch zu interpretieren.
  3. „Creative Problem Solving“: Daten in großen Mengen und vielfältige technologische Möglichkeiten sollen für kreative Lösungen eingesetzt werden.
  4. „Entrepreneurial Mindset“: Schon die Industrie 4.0 bietet weitreichende Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle, in der Industrie 5.0 ist ein unternehmerisches Gespür deshalb eine wichtige Voraussetzung für langfristige Wettbewerbsfähigkeit.
  5. „Work Physically & Psychologically Safely & Effectively”: Der Umgang mit immer neuen Technologien erfordert gute körperliche und mentale Voraussetzungen für das sichere Arbeiten.
  6. „Inter-Cultural, Inter-Disciplinary, Inclusive & Diversity-oriented Mindset”: Arbeitsumgebungen werden in jeder Hinsicht diverser, was eine gewisse Offenheit verlangt.
  7. „Cybersecurity, Privacy & Data Mindfulness“: Mehr Daten bedeuten einen größeren digitalen Fußabdruck entlang der Wertschöpfungskette. Deshalb wird ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen Daten erwartet.
  8. „Handle Increasing Complexity“: Die Aufgaben in der intelligenten Industrie sind verbunden mit vielfältigen Anforderungen. Es braucht daher die Fähigkeit, mit komplexen Arbeitsbedingungen zurecht zu kommen.
  9. „Communication Skills“: Diese Fähigkeit umfasst neben der Kommunikation mit Kollegen, Geschäftspartnern etc. in zunehmendem Maße den Austausch mit IT- und KI-Systemen auf verschiedenen Plattformen und mit unterschiedlichen Technologien.
  10. „Transformation Skills“: Damit ist ebenfalls die Offenheit für den ständigen Wandel gemeint, die mit dem technologischen Fortschritt und dem Wissenstransfer aus anderen Bereichen einhergeht.

Das Paper der EU-Kommission weist darauf hin, dass von diesen Fähigkeiten streng genommen nur vier direkt in die Kategorie „Digital Skills“ fallen. Die restlichen drehen sich hingegen um sogenannte Softskills wie Kreativität, Offenheit und Flexibilität.

Sichere Arbeitsumgebungen

Die Verschiebung des Schwerpunkts in der Mensch-Maschine-Kooperation zu Gunsten des Menschen hat einen weiteren wichtigen „Nebeneffekt“: Sie würde dabei helfen, Arbeitsumgebungen sicherer zu gestalten. Denn nach wie vor zählt der Bereich der Fertigungsberufe zu denjenigen mit den höchsten Unfallquoten.

Gleichzeitig können besonders beschwerliche und repetitive Aufgaben, die eine hohe körperliche Belastung bedeuten, durch Roboter verrichtet werden. Das trägt sowohl zur Gesundheit der Mitarbeiter als auch zu einer Reduzierung der Unfallquoten bei. Arbeitsunfälle, die durch nachlassende Kraft oder bereits bestehende körperliche Beschwerden geschehen, können somit weitgehend verhindert werden.

Für die Industrie 4.0 ist Nachhaltigkeit bereits ein wichtiges Thema, etwa im Hinblick auf die Potenziale von automatisierten Prozessen beim Senken des Energieverbrauchs und bei der Kontrolle des Ressourceneinsatzes. Im Kontext der Industrie 5.0 gewinnt dieser Bereich weiter an Bedeutung.

Kernelement #2: Nachhaltigkeit

Mehr Energieeffizienz, weniger Emissionen

Das liegt nicht zuletzt daran, dass die industrielle Produktion innerhalb der EU in immer weitreichenderen gesetzlichen Rahmenbedingungen stattfindet. Der „Green Deal“ der EU ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die nach wie vor bestehenden Verhältnisse. Viele Zweige der Industrie sind energie-intensiv und produzieren noch zu viele Treibhausgasemissionen:

  • Beim Energieverbrauch liegt die Industrie hinter dem Verkehrssektor und noch vor den privaten Haushalten.
  • Mehr Treibhausgase als industrielle Prozesse verursachen lediglich die Landwirtschaft und der Energiesektor.

Um in diesen Punkten gegenzusteuern, greifen bereits ab 2030 schärfere Vorgaben, mit denen das Klimaziel der EU (Klimaneutralität bis spätestens 2050) erreicht werden soll. Dazu besteht im Hinblick auf die Energieeffizienz trotz großer Fortschritte weiterhin Nachbesserungsbedarf. Seit 2005 ist die Rate, mit der im Industriesektor die Energieeffizienz verbessert wird, gesunken.

Eine Trendwende wird allerdings nicht nur vom Einsatz moderner Technologien oder von datenbasierten Optimierungen abhängen. Es geht hier nicht zuletzt um energiepolitische Fragen.

Verbesserte Kreislaufwirtschaft

Die Industrie 5.0 soll außerdem Lösungen für den Ressourcenverbrauch finden. In erster Linie geht es dabei um die Kreislaufwirtschaft. Die EU-Gesetzgebung hat in dieser Hinsicht bereits die Weichen gestellt, um Qualität und Anteil von sekundären Rohstoffen (also Recyclinggütern) zu erhöhen.

Denn technologische Ansätze allein werden in diesem Zusammenhang nur bedingt ausreichen. Um den Wertstoffkreislauf zu optimieren, muss unter anderem das Design von Materialien und Produkten stärker auf eine effiziente Wiederverwertung ausgerichtet werden.

Kernelement #3: Resilienz

Das dritte Kernelement dreht sich um die höhere Resilienz von Lieferketten. Zuletzt hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie anfällig globale Lieferketten sind, sobald Störungen eintreten. Um darauf bessere Antworten zu finden, hat die EU-Kommission eigens die beratende „Recovery and Resilience Facility“ ins Leben gerufen.

Sie soll bei Reformen und Investitionen in grüne, digitale und sozialverträgliche Lösungen helfen. Die Unterstützung der „Recovery and Resilience Facility“ richtet sich allerdings vornehmlich an die Mitgliedstaaten. Nichtsdestotrotz können so auf Länderebene die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden.

Die Industrie ihrerseits besitzt bereits viele Mittel, um auf Disruptionen zu reagieren – oder diese sogar vorherzusehen. Mit Big Data und entsprechend hochentwickelten Datenanalyseverfahren können mögliche Risiken in Echtzeit bewertet werden. Analog zur vorausschauenden Wartung in den Smart Factories können damit die Lieferketten aufrechterhalten werden.

Wie revolutionär ist die Industrie 5.0?

Diese Frage stellte ein Experten-Team aus Mitgliedern der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster sowie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen in einem Praxiskommentar zum Whitepaper der EU-Kommission. Immerhin verspricht schon die Bezeichnung „Industrie 5.0“ den nächsten Schritt in der industriellen Entwicklung.

Gemeinsame Grundlagen

Bei genauerer Betrachtung überwiegen jedoch die Gemeinsamkeiten von Industrie 4.0 und Industrie 5.0. Etwa bei den technologischen Voraussetzungen. Einen revolutionären „Sprung“, wie ihn vorherige Übergänge in eine neue industrielle Stufe gekennzeichnet haben, gibt es in diesem Fall nicht.

Denn die Technologien, auf denen die Industrie 5.0 aufbauen soll, sind bereits vorhanden und werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen: das Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz oder additive Fertigungsverfahren bleiben maßgeblich, 5G ist längst Bestandteil laufender Entwicklungen.

Die weitreichenden Auswirkungen der Industrie 4.0-Technologien versprechen ökonomische, ökologische und soziale Zielgrößen gleichermaßen zu adressieren. Da die Rolle des Menschen, das Ziel einer nachhaltigen Industrielandschaft sowie die Ambition widerstandsfähiger Lieferketten derzeit an Bedeutung gewinnen, versprechen laufende Digitalisierungsinitiativen einen umso höheren Erfolg.

Industrie 5.0 – Die Europäische Kommission auf den Spuren der nächsten industriellen Revolution?

Genauso bestehen bei den Schwerpunktthemen mindestens Überschneidungen. Das gilt für Nachhaltigkeit ebenso wie für die Suche nach einer resilienteren Gestaltung der Lieferketten. Auch diese Problematik wird im Zuge der Industrie 4.0 thematisiert, wie die Hinweise des Whitepapers auf bereits abgeschlossene oder laufende Forschungsprojekte rund um die stärkere Menschzentrierung der Industrie zeigen.

Der Weg ist das Ziel

Während die Industrie 4.0 den aktuellen Stand der industriellen Evolution beschreibt, weist der Begriff „Industrie 5.0“ noch in die Zukunft. Dazu greift er folgerichtig die aktuell bestimmenden Fragen auf und versucht, mögliche Lösungswege aufzuzeigen.

Insofern ist die Industrie 5.0 derzeit eher ein Ziel, an dem sich laufende Entwicklungen orientieren können – und vor allem sollen.

Total
0
Shares
Vorheriger Beitrag

Elfa Distrelec unterstützt Studentengruppe bei den Formula Student Wettbewerben

Nächster Beitrag

Augmented Reality in der Industrie 4.0

Verwandte Beiträge