Das Gesundheitswesen war bisher naturgemäß im Wesentlichen „humangesteuert“ – von der Versorgung bis hin zur Grundsatzfrage des Überlebens – künftig wird es jedoch viel stärker „maschinengesteuert“ sein.
Künstliche Intelligenz und Robotertechnik erobern zunehmend auch das Gesundheitswesen. Sie definieren nicht nur die Art und Weise neu, wie medizinische Fachkräfte arbeiten, sondern auch wie Krankheiten diagnostiziert und Patienten behandelt und versorgt werden.
Dieser Wandel betrifft jeden Bereich des Gesundheitswesen: OP-Verfahren, Allgemeinmedizin, Forschung. Wir möchten Ihnen sieben Anwendungen aus den Bereichen Robotertechnik und Künstliche Intelligenz vorstellen, von denen Sie heute oder morgen hören werden.
1. OP-Technik
Versius
CMR Surgical, UK (2017)
Versius, ein OP-Roboter der nächsten Generation, kann für laparoskopische Verfahren in den Bereichen Hernienchirurgie und HNO eingesetzt werden.
Seine fünf abnehmbaren, extrem beweglichen Arme sind mit KI und sensorischen Fähigkeiten ausgestattet. Diese werden vom Operateur über ein Pult und einen 3D-Bildschirm gesteuert. Ferner reagieren sie auf Berührungen. Mit einer Selbstüberwachung von 5000 Mal pro Sekunde bietet jeder Arm ein hohes Maß an Präzision.
Da der Versius gegenüber Vorgängermodellen wie dem da Vinci kleiner, erschwinglicher und transportabel ist, wird er die „Schlüsselloch-Chirurgie“ noch zugänglicher und flexibler machen und darüber hinaus Genesungszeiten verkürzen.
2. Zahnmedizin
Yomi
Neocis, USA (2017)
Yomi ist ein robotergestütztes System für die Zahnchirurgie, mit dem Verfahren zum Einsetzen von Zahnimplantaten automatisiert und unterstützt werden sollen.
Yomi besteht aus einem einzelnen, extrem flexiblen Arm und ist so vorprogrammiert, dass es an der Seite des Zahnarztes/der Zahnärztin arbeitet, den Patienten/die Patientin erkennt und den Bohrer entsprechend positioniert, um die korrekte Platzierung, Tiefe und Ausrichtung sicherzustellen. Seine Software bietet die Möglichkeit, Eingriffe anhand von CT-Scans des Patienten/der Patientin vorzuplanen sowie Änderungen ad hoc vorzunehmen.
Yomi wurde letztes Jahr erstmalig in China getestet, wo mit dessen Unterstützung zwei Implantate mit einer Fehlerspanne von 0,2–0,3 mm erfolgreich eingesetzt wurden. Yomi ermöglicht schnellere und präzisere Dentaleingriffe, bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitslast und Fehleranzahl.
3. Allgemeinmedizin
Babylon
Babylon Health, UK (2017 aktualisiert)
Babylon ist eine KI-gestützte Smartphone-App, die von Babylon Health entwickelt wurde. Das in London ansässige Technologieunternehmen hat auch schon die App GP at Hand für das NHS entwickelt. Neben medizinischen Diagnosen bietet die App einen Rund-um-die-Uhr-Videozugang zu echten Ärzten sowie auf E-Rezepte.
Zunächst bespricht der Chatbot mit dem Patienten/der Patientin die Symptome und bittet ihn bzw. sie im Anschluss über den Touchscreen den Schmerz und dessen Stärke auf einem menschlichen Körper (Modell) anzugeben. Für die Diagnose werden neben der Krankenakte des Patienten/der Patientin über 300 Millionen Datenpunkte von anderen Patienten sowie wissenschaftliche Arbeiten herangezogen.
Wenngleich diese Art von künstlicher Intelligenz Ärzte nicht ersetzen wird, kann sie unterstützend genutzt werden, da sie die Genauigkeit von Diagnosen stärkt und Arbeitslasten reduziert, sodass ein größerer Fokus auf die Behandlung möglich wird. Des Weiteren wird die Patientenerfahrung optimiert.
4. Krankenpflege
TUG
Aethon, USA (2015)
TUG ist ein automatisiertes Robotersystem für die Verteilung von Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Verbrauchsmaterialien, welches speziell zur Unterstützung der Logistik in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen entwickelt wurde.
Das mobile Wagensystem mit Selbstbeladung wird von intelligenten Software-Algorithmen angetrieben und ferngesteuert. Darüber hinaus verfügt das TUG über integrierte Karten sowie Lidar-Sensoren, die einen Rundumblick in 3D ermöglichen – dieselbe Technologie, die bei selbstfahrenden Autos eingesetzt wird. Das Wagensystem findet dadurch problemlos seinen Weg durch Gänge, in Fahrstühle hinein sowie an Patienten und Klinikpersonal vorbei.
Dadurch, dass das TUG rund um die Uhr seine Pflichtaufgaben bei einer geringeren Fehlerzahl erledigt, trägt es zusammen mit anderen medizinischen Robotern dazu bei, die Kosten zu senken und dem Pflegepersonal mehr Zeit für die Pflege der Patienten zu lassen.
5. Forschung
Mit KI ausgestattetes Mikroskop
Beth Israel Deaconess Medical Centre (BIDMC), USA (2017)
Dieses neue KI-gestützte Mikroskop wird derzeit für den Einsatz in Krankenhauslaboren entwickelt, um tödliche Bluterkrankungen zu diagnostizieren.
Das Mikroskop ist mit einem konvolutionalen neuronalen Netzwerk (CNN) ausgestattet – „einer Art von künstlicher Intelligenz auf Basis des visuellen Cortex von Säugetieren, welche für die Analyse von visuellen Daten eingesetzt wird“. Mit Unterstützung von maschinellem Lernen kann das Mikroskop Bakterien anhand ihrer Größe und Verteilung erkennen und einstufen.
Dadurch wird nicht nur die Expertise verringert, welche notwendig ist, um Mikroorganismen richtig und zuverlässig zu erkennen, sondern es werden auch Verfahren und die Diagnosestellung beschleunigt und somit eine schnellere Behandlung kritischer Patienten ermöglicht.
„Die Idee ist es, die Fertigkeiten eines Mikrobiologen mit KI zu verbinden. Konkret heißt das: Ein automatisiertes Mikroskop erfasst hunderte von Bildern aus der Probe eines Patienten. Das KI-Programm erkennt ausgewählte Bilder, die Mikroorganismen enthalten, und präsentiert diese dem Mikrobiologen zusammen mit einem Vorschlag für die Diagnose auf einem Computerbildschirm. Der Mikrobiologe prüft die Bilder dann auf dem Bildschirm und bestätigt die Diagnose. Mikroorganismen kommen nur sehr selten in Proben vor, sodass ein Mikrobiologe mitunter sehr viel Zeit aufwenden muss, bis er diese mittels der manuellen Standardverfahren nachweist. Durch die genannte Unterstützung würde die Zeit, die der Mikrobiologe für eine Diagnose bräuchte, auf wenige Sekunden verkürzt.“
– Dr. James Kirby via Digital Trends
6. Rehabilitation
Welwalk WW-1000
Toyota, Japan (2017)
Welwalk WW-1000 ist ein Robotersystem zur Unterstützung der Rehabilitation von Betroffenen mit Lähmungen der unteren Extremitäten infolge von Schlaganfällen oder anderen Erkrankungen.
Das System besteht aus einem flexiblen, mit einem Rahmen verbundenen Roboterbein sowie einem Computersystem, Laufband und Monitor. Während der Übungen trägt der Patient/die Patientin das Bein zur Unterstützung. Dank motorischer Lerntheorien ist das System in der Lage, den Schwierigkeitsgrad für jeden Patienten/jede Patientin anzupassen und kann darüber hinaus eine Rückmeldung zu dessen/deren Gangeigenschaften geben.
Zusammen mit anderen Bionik- und Exoskeletttechnologien revolutioniert das WW-1000 die Behandlung und Versorgung von Patienten mit eingeschränkten oder verloren gegangenen Funktionen, beschleunigt deren Genesung und verbessert die Therapieergebnisse.
7. Prävention
MAP Health Watch
Medicatus, USA (2017)
Die MAP Health Watch ist ein KI-fähiges, am Körper tragbares Gerät, das den Gesundheitszustand des Benutzers/der Benutzerin konstant überwacht, um medizinische Probleme wie z. B. Herzerkrankungen zu erkennen, noch bevor sich diese zeigen.
Zu der Uhr gehören fünf Sensoren für klinische Anwendungen, die sechs Vitalparameter messen, darunter Hauttemperatur und elektrodermale Aktivität. Die Daten werden nach der Erfassung via Bluetooth an den Server gesendet und dort unter Nutzung regelbasierter, maschineller Lernalgorithmen zwecks genauer Bestimmung verarbeitet.
Die Technologie der Gesundheitsuhr sorgt dafür, dass gesundheitliche Probleme rechtzeitig erkannt werden, sodass die Gesundheitspflege vielmehr präventiv als reaktiv erfolgt, mit dem Ergebnis, dass das Gesundheitssystem effizienter gestaltet und das Ergebnis für den Patienten/die Patientin verbessert werden kann.
Künstliche Intelligenz und Robotertechnik transformieren das Gesundheitswesen – aber nicht, indem sie den Faktor „Mensch“ in der Versorgung ersetzen, sondern indem sie ihn unterstützen.
Durch die Steigerung der Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Arbeitsweisen, Ärzten, Pflegekräften und anderen medizinischen Fachkräften werden (Gesundheits-)Leistungen besser, schneller und zugänglicher – und so die Behandlung verbessert und Leben gerettet.