Gibt es 2023 immer noch ein Geschlechtergefälle in den MINT-Fächern?

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MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) wurden lange Zeit von Männern dominiert, aber in den letzten Jahrzehnten ist der Frauenanteil etwas gestiegen. Gibt es trotzdem noch ein Geschlechtergefälle in den MINT-Fächern? Und sind diese Bereiche für junge Mädchen immer noch mit einem Stigma behaftet, das sie davon abhält, ihren Interessen nachzugehen? 

Anlässlich des Internationalen Tags der Frauen im Ingenieurwesen, der am 23. Juni zum zehnten Mal stattfindet, schauen wir uns die Gründe an, die Mädchen und Frauen immer noch davon abhalten, eine Karriere in den MINT-Bereichen anzustreben, und sich stattdessen für einen eher “weiblichen” Beruf zu entscheiden.

Nach Angaben des Massachusetts Institute of Technology machen Frauen 2023 nur 28 % der gesamten MINT-Beschäftigten aus. In der EU sind es gerade einmal 17 %. Es gibt unzählige Organisationen und Bildungseinrichtungen, die viel Zeit und Mühe in die Chancengleichheit investieren. Zwar konnten dank dieser Initiativen und Veranstaltungen schon einige Verbesserungen verzeichnet werden, jedoch haben wir, wie Sie in diesem Artikel erfahren werden, noch einen langen Weg vor uns, um die Kluft zwischen den Geschlechtern im MINT-Bereich zu schliessen.

Wie sind die Zahlen in der EU?

Laut Eurostat waren 2022 fast 76 Millionen Menschen in der EU im Alter von 15 bis 74 Jahren in Wissenschaft und Technologie beschäftigt. Davon waren 52 % Frauen, die jedoch überwiegend im Dienstleistungsbereich tätig waren. Wissenschaftler und Ingenieure machen fast ein Viertel der 76 Millionen Beschäftigten in Wissenschaft und Technik aus, aber in diesem Bereich sind nur 41 % der Stellen mit Frauen besetzt, was einem Anstieg von nur 2 % im letzten Jahrzehnt entspricht.

Laut einem McKinsey-Bericht Anfang dieses Jahres, beträgt der durchschnittliche Frauenanteil in technischen Positionen in europäischen Unternehmen nur 22 %. Wenn wir diese Zahlen nach spezifischen Rollen aufschlüsseln, sehen wir, dass der höchste Anteil an Frauen im Bereich Produktdesign und -management mit 46 % zu verzeichnen ist, während es nur 18 % in Core Engineering und 8 % in DevOps- und Cloud-Jobs sind. Nachstehend finden Sie eine vollständige Aufschlüsselung.

Abbildung 3: Der durchschnittliche Anteil von Frauen in technischen Funktionen in europäischen Ländern. Quelle: McKinsey

Detailliertere Daten über die aktuelle Situation in der EU finden Sie in einem unserer früheren Beiträgen.

Was wird dagegen unternommen?

Europaweit gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Initiativen, um mehr Mädchen und Frauen für MINT-Berufe zu begeistern. Eine davon ist Nordic Women in Stem. Die Initiative wurde vor zwei Jahren von Neha Imtiaz Ullah, einer Ingenieurstudentin an der Technischen Universität Dänemark, gegründet, um Mädchen und junge Frauen in den Nordischen Ländern mit den MINT-Fächern vertraut zu machen. Sie sprach mit uns darüber, warum praktische Konzepte so wichtig sind und wie diese das Selbstvertrauen von Mädchen und jungen Frauen stärken.

„Unser Ziel ist es, den Mädchen durch Workshops die MINT-Fächer als praktisches Konzept näher zu bringen Während der gesamten Schulzeit werden uns zwar die theoretischen Aspekte der Naturwissenschaften und der Mathematik beigebracht, aber es fehlt der praktische Teil. Themen wie das Programmieren, die Robotik, Energiesysteme oder der Weltraum fehlen leider”, so Ullah.

“Ich glaube, dass Mädchen und junge Frauen durch praktische MINT-Konzepte ihr wahres Potenzial entdecken können. Viele von ihnen glauben, dass sie von Natur aus in den MINT-Fächern unbegabt sind, doch wenn sie dann mal die Möglichkeit bekommen praktische MINT-Konzepte, wie zum Beispiel das Programmieren, auszuprobieren, sehen sie, wie einfach es ist, und das bringt sie dazu, an ihr wahres Potenzial zu glauben.”

Neha Imtiaz Ullah arbeitet mit einigen Schülern

Da einige Schlüsselbereiche der MINT-Fächer im Lehrplan fehlten, nahm Ullah die Sache schliesslich selbst in die Hand und gründete die „Nordic Women in STEM“-Plattform, die einen ausserschulischen MINT-Club für Mädchen und junge Frauen an bietet, nämlich den „Girls STEM Club“. 

„Davor gab es keine ausserschulischen Aktivitäten, um junge Mädchen für MINT zu begeistern”, so Ullah. „Ich glaube wirklich, dass es sich positiv auswirkt, wenn Mädchen mit anderen gleichgesinnten Mädchen zusammen sein können. Doch leider gab keine solchen Aktivitäten. Es gab zwar welche, die sich an beide Geschlechter richteten, aber zu denen kamen immer mehr Jungen. Ich wollte etwas schaffen, wo Mädchen andere gleichgesinnte Mädchen treffen können, um etwas über MINT zu lernen.“

Der „Girls Stem Club“

Der Club richtet sich an Mädchen und jungen Frauen im Alter von 13 bis 19 Jahren und soll ihnen die Möglichkeit geben, mit Spass verschiedene Dinge im MINT-Bereich zu lernen. Die Teilnahme ist kostenlos und es sind keine Vorkenntnisse erforderlich. Die Gruppe trifft sich einmal im Monat, wobei das Thema jedes Mal ein anderes ist und manchmal auch Gastredner dabei sind. Neha Imtiaz Ullah ist überzeugt davon, dass sich der Club positiv auf die Einstellung junger Mädchen zu MINT auswirkt.

„Am Anfang waren alle etwas skeptisch, auch die Gastrednerinnen und Teilnehmerinnen, aber das hat sich mit der Zeit verändert. Damit den Club-Teilnehmerinnen bewusst wird, wie viele Möglichkeiten sie mit MINT haben, behandeln wir bei jeder Veranstaltung ein anderes Themengebiet, sei es Robotik, Weltraumtechnologie, Brückenbau oder der Klimawandel. Mit mehr Ressourcen und mehr MINT-Clubs für Mädchen bin ich mir sicher, dass wir mehr Mädchen und junge Frauen für die MINT-Fächer begeistern können.” 

Girls Stem Club-Teilnehmerin arbeitet am Computer

Sie ist sich sicher, dass neben organisierten Veranstaltungen und Clubs, Vorbilder eine ebenso grosse Rolle spielen, um junge Mädchen für eine MINT-Karriere zu begeistern.

„Ich bin selbst Elektroingenieurin, und als ich 2019 mein Bachelorstudium begann, waren von 85 im Kurs nur 11 Mädchen In meinem vierten Semester lernte ich eine Professorin aus dem Fachbereich Elektrotechnik kennen, und sie hatte einen grossen Einfluss auf mich, denn es war das erste Mal, dass ich jemanden erlebte, in dem ich mich wiederfinden konnte. Sie war mein Vorbild und deshalb habe ich auch eine Organisation gegründet, bei der es vor allem um weibliche Vorbilder geht”.

Neha Imtiaz Ullah, Gründerin von Nordic Women in STEM

Was tut die EU, um zu helfen?

Nordic Women in STEM ist nicht die einzige Organisation, die versucht, Mädchen mit den Fähigkeiten und Erfahrungen auszustatten, die sie brauchen, um in diesen Bereichen erfolgreich zu sein. Mit dem Aktionsplan für digitale Bildung plant die Europäische Komission die Teilhabe von Frauen an Studiengängen und beruflichen Laufbahnen in MINT-Fächern zu fördern. Eine der Massnahmen ist die Online-Lernplattform Girls Go Circular des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts. Das Online-Lernprogramm zum Thema Kreislaufwirtschaft vermittelt Schülerinnen digitale und unternehmerische Kompetenzen.

Zusammen mit Deloitte und Vlajo organisiert die Europäische Komission sogenannte E-MINKT (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften, Kunst und Technologie)-Festivals in 19 EU-Mitgliedstaaten. Bei diesen Veranstaltungen halten Fachleute aus der Industrie Workshops und Vorträge, um Mädchen und Frauen zu helfen, ihre digitalen und unternehmerischen Kompetenzen zu verbessern und ihr Selbstvertrauen zu stärken, damit sie sich für eine MINT-Laufbahn entscheiden.

Bildung − die Wurzel des Problems im MINT-Bereich?

„Mädchen und Frauen werden während ihrer gesamten Schulzeit systematisch von den Naturwissenschaften und der Mathematik ferngehalten, was ihren Zugang, ihre Vorbereitung und ihre Möglichkeiten, als Erwachsene in diesen Bereichen tätig zu werden, einschränkt.“

American Association of University Women.

Die EPFL: Wachsende Chancen in der Schweiz

In der Schweiz, wo Distrelec gegründet wurde, ist die École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) eine der dynamischsten Wissenschafts- und Technologieinstitutionen in Europa. Gleichberechtigung und Vielfalt stehen im Mittelpunkt des Ethos der Einrichtung, was durch die Bemühungen, Mädchen in stark von Männern dominierten Bereichen eine Chance zu geben, untermauert werden kann. Die Abteilung für Wissenschaftsförderung (SPS) der EPFL erreicht jedes Jahr 16.000 Kinder und Jugendliche, darunter Jungen und Mädchen, wobei die Mädchen in der Mehrzahl sind.

Dr. Farnaz Moser, die Leiterin der SPS, hat mit uns darüber gesprochen, was Mädchen derzeit davon abhält, eine Karriere im MINT-Bereich anzustreben, und warum sie das MINT-Programm für Mädchen an der EPFL ins Leben gerufen hat. 

„Es gibt mehrere Faktoren, die Mädchen davon abhalten, eine Ausbildung oder ein Hochschulstudium im MINT-Bereich zu absolvieren. Einige davon sind: 

  • Kulturelle Muster und Vorurteile in Bezug auf “typisch weibliche” und “typisch männliche” Berufe. Diese Vorurteile werden von frühester Kindheit an vermittelt und weitergegeben. Besonders ausgeprägt sind diese Muster und Vorurteile in Westeuropa und Nordamerika, dementsprechend niedrig ist dort auch der Frauenanteil in MINT-Berufen. 
  • Ein Mangel an weiblichen Vorbildern in diesen Bereichen in der unmittelbaren Umgebung und in der Gesellschaft im Allgemeinen, um Mädchen zu inspirieren, eine Karriere in diesen Bereichen zu verfolgen. 
  • Wenig Berührung mit Technik in der Freizeit (z. B. durch technisches Spielzeug). Das führt dazu, dass Mädchen oft ihre eigenen Fähigkeiten unterschätzen.

„Damit junge Frauen bereit sind, sich in diesen Bereichen zu engagieren, müssen sie von klein auf Fähigkeiten erwerben und sich darin wohlfühlen, und sie müssen über die Verwendung dieser Branchen in verschiedenen Bereichen informiert werden. Unser Programm zielt darauf ab, Mädchen in die MINT-Bereiche einzuführen, ihnen Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu geben, ihnen einen Raum zu bieten, in dem sie ihr Potenzial frei entfalten können, ihnen den Nutzen von Wissenschaft und Technologie für die Gesellschaft zu zeigen und sie mit Vorbildern in Kontakt zu bringen.”

Als sie das Programm 2003 ins Leben rief, war es eines der ersten Programme, deren naturwissenschaftlichen und technischen Aktivitäten sich nur an Mädchen richteten, um die Zugangsbarrieren für Mädchen und Frauen zu beseitigen. 

Junge Mädchen probieren einige wissenschaftliche Projekte auf einem Computer aus

„Als ich 2003 das Büro für Chancengleichheit der EPFL leitete, entwickelte ich eine Strategie, um junge Mädchen so früh wie möglich an Naturwissenschaften und Technik heranzuführen und sie zu ermutigen, ein Studium oder eine berufliche Laufbahn in diesen Bereichen aufzunehmen. 

„Deshalb starteten wir 2003 einen Einführungskurs in die Informatik mit 20 Teilnehmern im Alter von 10 bis 13 Jahren. Unser Ziel war, ihnen Vorbilder zu vermitteln und einen Dialog mit den Eltern darüber zu eröffnen, wie wichtig es ist, ihre Töchter zu ermutigen, sich in diesen Bereichen weiterzubilden. Dann haben wir nach und nach ein breites Programm mit verschiedenen Aktionen ausschliesslich für junge Mädchen entwickelt, das wir heute im Rahmen der SPS weiterführen und mit dem wir jährlich Tausende von Mädchen in vielen Schweizer Kantonen erreichen. Das EPFL-Programm richtet sich an Mädchen im Alter von 7 bis 16 Jahren in einem ausserschulischen Rahmen mit Semesterkursen, Workshops und Tagescamps.”

Ingenieurin arbeitet an einem KI-Roboter-Trainingskit

Das Programm läuft nun schon seit 20 Jahren und hat in dieser Zeit viele junge Mädchen begeistert.

„Was zuerst ein kleines Projekt war, ist mittlerweile zu einem grossen Projekt mit Tausenden von Teilnehmerinnen geworden. Unsere Aktivitäten kommen bei den Mädchen gut an. Oft machen sie sogar gleich bei mehreren mit. Mehrere Studentinnen, die an der EPFL immatrikuliert sind, haben in ihrer Jugend an unseren Aktivitäten teilgenommen und unterrichten nun ihrerseits die Aktivitäten, die wir derzeit für die Mädchen organisieren”.

Nachstehend finden Sie zwei Erfahrungsberichte von jungen Mädchen, die an dem Programm teilgenommen haben.

„Vielen Dank für die Organisation dieser Kurse; wenn ich nicht gekommen wäre, hätte ich nicht das Selbstvertrauen gehabt, mich für fortgeschrittene Mathekurse anzumelden oder ein wissenschaftliches Studium zu beginnen.”

15-jährige Teilnehmerin des EPFL-Programms

„Ich studiere derzeit an der EPFL Maschinenbau. Ich würde gerne, in Schulen über Technik zu sprechen, um Mädchen zu motivieren, in unsere Bereiche zu kommen. Als Kind war, hatte ich nicht viele um mich herum, die in wissenschaftlichen Bereichen arbeiteten, und noch weniger Frauen. Wenn ich nicht die Möglichkeit gehabt hätte, an den Mädchenworkshops der EPFL teilzunehmen, wäre ich wohl nicht in dieser Branche gelandet.”

EPFL-Studentin.
Praktisches wissenschaftliches Projekt

Trotz der begeisterten Kritik und der grossen Resonanz des Programms ist Dr. Moser der Meinung, dass noch viel mehr getan werden muss. 

„Die Einstellung muss sich auf allen Ebenen ändern. So müssen zum Beispiel auch Eltern, Lehrkräfte, Medien und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sensibilisiert werden. Dank der Einführung verschiedener Projekte und Programme, gibt es bereits ein Bewusstsein für die Thematik und wir entwickeln uns auch in die richtige Richtung. Neben Universitäten müssen auch Unternehmen Programme entwickeln, um Frauen in den MINT-Bereichen zu unterstützen. Wir müssen zusammenarbeiten und dürfen nicht nachlassen, denn die Veränderung von Denkweisen und Verhaltensmustern brauchen Zeit. 

„Auch die Männer spielen eine wichtige Rolle. Als Väter haben sie einen grossen Einfluss auf ihre Töchter, daher ist es wichtig, dass sie ihre Töchter dazu ermutigen sich im MINT-Bereich weiter zu entwickeln. Zudem können sie auch andere Männer in ihrem Umfeld davon überzeugen die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, damit mehr Mädchen und Frauen sich für MINT-Berufe entscheiden.“

Dr. Farnaz Moser, Leiterin der Abteilung für Wissenschaftsföderung an der EPFL

2026 werden in der Schweiz mehrere tausend IT-Spezialisten fehlen. Zum Zeitpunkt des Beitrags sind nur 17 % der IT-Fachleute in der Schweiz Frauen. Dr. Moser erklärt, warum Programme wie das ihre an der EPFL, unglaublich wichtig sind.

„Wissenschaft und Technologie sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und spielen eine wichtige Rolle in vielen Bereichen des täglichen Lebens wie Gesundheit, Umwelt, Ernährung und Kommunikation. Zudem ist eine umfassende und integrative wissenschaftliche Bildung der Schlüssel zu einer wohlhabenden und zivilisierten Gesellschaft. Die EPFL ist eine eidgenössische Schule, die Wissenschaft und Technologie sowie die Chancengleichheit unter jungen Menschen fördert, um die nächste Generation von MINT-Experten in der Schweiz zu sichern.”

MINT in Grossbritannien

Auch in Grossbritannien ist der Anteil an Frauen bei den MINT-Beschäftigten relativ gering. Laut einem Bericht von STEM Women vom April 2023 machen Frauen nur 24 % der MINT-Beschäftigten aus. Hinzu kommt, dass in den technischen Berufen nur 17 % der Stellen mit Frauen besetzt sind, eine Zahl, die in den letzten 14 Jahren nur um zwei Prozent gestiegen ist. In den Ingenieurberufen liegt der Frauenanteil sogar bei nur 10 %.

Im LinkedIn-Artikel über die 25 gefragtesten Berufe 2023 steht bei jedem Beruf auch die Geschlechterverteilung dabei.

  • Cloud Engineer – 16% Frauen; 84% Männer.
  • Data Science Manager – 23 % Frauen; 77 % Männer.
  • Site Reliability Engineer – 11% Frauen; 89% Männer.
  • Dateningenieur – 24% Frauen; 76% Männer.
  • Ingenieur für maschinelles Lernen – 18 % Frauen; 82 % Männer.
  • Kabeltechniker – 4% Frauen; 96% Männer.
  • Software-Ingenieur – 40% Frauen; 60% Männer.
Software-Ingenieur

Dabei fällt auf, dass nur wenige dieser Berufe einen Frauenanteil von mindestens 25 % haben. Bei Distrelec sind 46 % der Beschäftigten sind Frauen. Zwar gibt es auch bei uns noch keine Geschlechterparität, aber wir bewegen uns zumindest in die richtige Richtung.

Gibt es in der Schule immer noch Geschlechterstereotypen?

Eine der vielen inspirierenden Frauen, die bei Distrelec arbeiten, ist Lucy Henshaw, die Produktmanagerin für Halbleiter, passive Komponenten und Optoelektronik. Sie studierte an der Nottingham Trent Universität Chemie und war in der Schule neben Chemie auch in Mathe und Physik sehr gut. Henshaw sprach mit uns über ihre Erfahrungen beim Erlernen von MINT-Fächern in der Schule.

Lucy Henshaw, Produktmanagerin bei Distrelec

„Mein Interesse für naturwissenschaftliche Fächer wurde mit etwa 12 Jahren geweckt, als die Naturwissenschaften in der weiterführenden Schule in die einzelnen Fächer aufgeschlüsselt wurden. Meine Altersgruppe war eine der ersten, bei der versucht wurde mehr Mädchen für die MINT-Fächer zu begeistern, aber ich wurde definitiv in die “weiblichen” Wissenschaften wie Biologie und Psychologie gedrängt, statt in Physik und Ingenieurwesen. Daher wurde ein Grossteil meiner naturwissenschaftlichen Laufbahn allein durch meine eigene Motivation geebnet“

„Obwohl ich sehr gut in Physik und Mathe war, wurde mir ohne Begründung die Möglichkeit verweigert, einen A-Level-Kurs in Physik zu belegen. Aus meiner Jahrgangsstufe wurde nur eine Schülerin zu dem Kurs zugelassen. Und das, obwohl ich während meiner gesamten Zeit an der weiterführenden Schule eine der Besten war. 

„Während meines A-Level-Kurses in Mathe wurde ich auch dazu gedrängt, zusätzliche Module zu belegen, die eher für Frauenberufe wie Einkauf und Verwaltung geeignet sind. Auch Mechanik durfte ich nicht belegen, obwohl ich eine der besten Noten in meinem gesamten Jahrgang hatte. Diese Barriere wurde an der Universität etwas aufgehoben, wo ich mich für den Weg der physikalischen Chemie entschied und Quantenmechanik und Thermodynamik lernte und anwendete.”

Letztendlich konnte Henshaw dank ihrer Zielstrebigkeit auch ohne die Unterstützung ihrer Schule eine naturwissenschaftliche Laufbahn einschlagen. Aber eigentlich hätte die Schule ihre Begeisterung für MINT-Fächer unterstützen sollen Denn Mädchen und junge Frauen sollten sich nicht beweisen müssen, dass sie auch gut in Naturwissenschaften sein können. Neben den geschlechtsspezifischen Vorurteile gibt es jedoch auch noch weiter Gründe, die Mädchen und Frauen davon abhalten ihr Potenzial voll auzuschöpfen 

  • Mangelndes Selbstvertrauen
  • Mangel an Mentoren bzw. Unterstützung
  • Mangel an weiblichen Vorbildern.
  • Schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • Geschlechtsspezifische Vorurteile und Sexismus am Arbeitsplatz
  • Schlechtere Entwicklungschancen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen
  • Weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen

Fazit 

Trotz erheblicher Fortschritte in den letzten Jahrzehnten müssen wir noch einiges tun, um die Geschlechterparität in den MINT-Fächern zu erreichen. Die Aussagen von Neha Imtiaz Ullah und Dr. Farnaz Moser machen deutlich, dass sich die Einstellung nicht nur in den Schulen, Universitäten und Familien ändern muss sondern in der Gesellschaft insgesamt und dass geschlechtsspezifische Vorurteile nicht nur ein Problem von Frauen sind, sondern dass auch Männer dagegen aktiv werden können Europaweit versuchen Organisationen und Initiativen den Zugang von Mädchen zu MINT-Fächern zu verbessern, aber diese Bemühungen müssen fortgesetzt und vielleicht sogar verstärkt werden, wenn wir in den nächsten Jahren einen Aufschwung erleben wollen. 

Lucy Henshaws Erfahrungen an einer britischen Schule zeigen, dass geschlechtsspezifische Stereotypen jungen Mädchen immer noch den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren. Denn es kann nicht sein, dass Schülerinnen ein Kurs verwährt bleibt, obwohl sie um einiges besser in dem Fach sind als einige ihrer männlichen Mitschülern. Dass es bereits Verbesserungen gibt, zeigen die Statistiken, allerdings braucht es noch mehr Bewusstsein für dieses Thema, mehr Möglichkeiten für Mädchen einen Zugang zu den MINT-Fächern zu finden, mehr weibliche Vorbilder und eine gesellschaftliche Abkehr von geschlechtsspezifischen Vorurteilen, damit die Geschlechterparität in den MINT-Fächern weltweit auch nur annähernd erreicht wird. 

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